20.000 Meilen unter den Meeren
die gleiche Masse Wasser, stiegen sie behäbig zur Decke empor, und was der Boden an Dicke verlor, nahm die Decke zu.
Nach zwei Stunden Arbeit kam Ned Land zurück, er war erschöpft. Jetzt kam der zweite Arbeitstrupp an die Reihe, Conseil und ich darunter. Der Erste Offizier führte uns an. Mir kam das Wasser besonders kalt vor. Dann wärmten mich die Schläge mit Hacke und Pickel und die Empfindung verschwand. Von den 30 at Druck war nichts zu spüren, ich bewegte mich vollkommen frei.
Als ich nach zwei Stunden zurückkehrte, um zu essen und mich auszuruhen, spürte ich bereits den deutlichen Unterschied zwischen der reinen Luft aus dem Atemgerät und der stark kohlensäurehaltigen Luft im Innern der Nautilus . Sie war seit 48 Stunden nicht erneuert worden und hatte ihre belebende Wirkung fast eingebüßt.
Nach zwölf Stunden hatten wir gerade 1 m Boden von der vorgezeichneten Fläche abgehoben, also 600 m3 Eis bewegt. Wenn wir das Tempo beibehielten, würden wir noch fünf Nächte und vier Tage brauchen, bis wir durch waren!
»Und die Luft reicht nicht mal mehr ganz zwei Tage!«
»Dabei haben Sie noch gar nicht berücksichtigt, dass wir anschließend ja noch lange unter der Eisdecke fahren müssen.«
Das war richtig. Niemand konnte voraussehen, wann wir wieder an die Oberfläche kommen würden. Mussten wir nicht vorher ersticken? Mussten wir vielleicht alle hier in dieser Gruft aus Eis zugrunde gehen? Unsere Lage schien schreckenerregend ernst. Sie war jetzt allen voll bewusst. Und alle stellten sich der Gefahr und taten, was ihre Pflicht war.
Während der Nacht wurde ein weiterer Meter Boden gelöst. Als ich dann am Morgen in meinen Taucheranzug stieg und mich ins –7° kalte Wasser begab, entdeckte ich, dass sich die Seitenwände des Tunnels Stück um Stück der Nautilus näherten. Die Wasserschichten, die entfernt von unserem Arbeitsplatz lagen und nicht bewegt wurden, zeigten eine Tendenz zur Verfestigung. Was war jetzt mit unserer Rettung, angesichts so drohender Gefahr? Wie sollte man die Verfestigung der flüssigen Massen aufhalten, unter deren Druck die Wände der Nautilus wie Glas zerspringen mussten?
Ich verriet meinen Gefährten mit keinem Wort, was ich entdeckt hatte, ich durfte ihren Arbeitseifer, mit dem sie für unsere Rettung schufteten, nicht lähmen. Aber kaum waren wir zurück an Bord, suchte ich den Kapitän auf und erzählte ihm von dem neuen Hindernis.
»Ich weiß«, antwortete er mit seiner ruhigen Stimme, die sich auch unter den schrecklichsten Umständen nicht wandelte. »Eine Gefahr mehr, ich sehe aber nicht, wie wir ihr begegnen sollen. Die einzige Chance wäre, dass wir schneller sind, als die Verfestigung fortschreitet. Wir müssen ihr zuvorkommen, das ist alles.«
Zuvorkommen! Wäre ich an diese Sprache des Unmöglichen nicht schon gewöhnt, ich hätte zugeschlagen. So griff ich zum Eispickel und arbeitete an diesem Tag wie ein Besessener, um mich aufrecht zu halten. Das war nicht allein eine moralische Maßnahme, sondern auch erfrischender als der Aufenthalt in der dumpfen Luft an Bord.
Ein weiterer Meter am Abend und bei der Rückkehr bereits das Empfinden des Erstickens. Ich dachte wehmütig an die Chemie und ihre Möglichkeiten der Lufterzeugung. An Sauerstoff hätte es uns nicht gefehlt, das umgebende Wasser enthielt genug. Aber die Innenräume der Nautilus waren zum Bersten mit giftiger Kohlensäure gefüllt und die konnten wir nicht entfernen, dazu hätte man einen Behälter mit kaustischer Pottasche dauernd rütteln müssen! An diesem Abend öffnete Nemo zum ersten Mal die Hähne seiner Reservebehälter und ließ frische Luft zu. Ohne diese Maßnahme wären wir am anderen Morgen wohl nicht mehr aufgewacht.
Am 26. März stieg die fünfte 1-m-Lage nach und nach zur Decke. Es war offensichtlich geworden, dass die Wände des Tunnels zusammenwachsen würden, bevor die Nautilus freigehauen war. Die Verzweiflung machte eine Weile meine Hände schlapp und ich konnte meinen Pickel nicht mehr ordentlich halten. Wozu das Hacken und Graben, wenn ich doch zerquetscht werden sollte, von diesem kalten Wasser, das zu Stein wurde, in einer Todesmarter, wie noch kein Wilder sie ersonnen hatte?
In diesen Augenblicken der Mutlosigkeit kam der Kapitän bei mir vorbei. Ich wies mit der Hand auf die Wände, die kaum noch 4 m von der Nautilus entfernt waren. Er verstand und winkte mir zu folgen. An Bord zogen wir die Taucheranzüge aus und gingen in den Salon.
»Wir müssen uns etwas
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