2001 Himmelsfeuer
Mutter beschwichtigte statt umgekehrt, machte Luisa zunächst sprachlos. Dann sah sie Angelas gelassenen Blick und fragte sich, ob das Wissen, das sie gelegentlich dort zu entdecken meinte, möglicherweise einfach nur Geduld war. »Vielleicht, mein Kleines, empfindest du ja für Navarro mit der Zeit so etwas wie Liebe.«
»Mamá, mir geht es einzig darum, dass wir auf dem Rancho bleiben können. Hier gehöre ich hin, und hier möchte ich sterben.«
Luisa erschrak. Wie konnte eine sechzehnjährige Braut in ihrer Hochzeitsnacht vom Tod sprechen! War das etwa das indianische Blut in ihr, das sich da meldete?
Angela hätte ihrer Mutter gern gesagt, wie überglücklich sie war, in diesem Haus zu sein, wie sehr sie Alta California und den Rancho Paloma liebte. Ihr Herz hing daran. Wenn sie ausritt, geschah es manchmal, dass sie Sirocco an einem Baum festband und sich ins Gras legte und in den Himmel schaute. Und dann zu spüren meinte, wie die Erde die Arme ausbreitete, um sie zu umfangen. Es war, als sei sie ein Teil dieses Landes, obwohl sie das Licht der Welt in Mexiko erblickt hatte, an das sie sich ebenso wenig erinnern konnte wie an die lange Reise, die sie mit ihren Eltern und den anderen Siedlern unternommen hatte, um den neuen Pueblo zu gründen. Als ob ihr Leben erst begonnen hätte, als sie fünf Jahre alt war, auf weiter zurück vermochte sie sich nicht zu besinnen.
Obwohl zuweilen – im Traum oder wenn der Wind ihr einen bestimmten Duft zutrug oder sie ein bestimmtes Geräusch hörte – merkwürdige Bilder in ihr hochstiegen und sie kurz das Gefühl hatte, jemand ganz anderes zu sein.
Da die Hochzeit in großem Stil gefeiert worden war, hatte man zur Aushilfe Indianerfrauen aus der Mission geschickt. Eine half Angela jetzt beim Entkleiden, räumte dann alles sorgfältig weg. Als Angela das schlichte Blechkreuz sah, das die Frau an einer Schnur um den Hals trug, blitzten in der jungen Braut plötzlich eigenartige Bilder auf, die ihr irgendwie bekannt vorkamen. Da war eine Höhle. Und eine Frau, die sie beschwor, Geschichten zu bewahren. Hatte Mamá sie als kleines Mädchen in eine Höhle mitgenommen? Und wenn ja, weshalb?
Nachdem sie ihr Brautkleid – das enge Mieder aus rosa Seide und den voluminösen, mit winzigen Röschen bestickten Rock aus weißer Seide – abgelegt hatte, zog Angela ihr langes Baumwollnachthemd an und setzte sich hin, damit ihr die Mutter das lange, dicke Haar bürsten konnte. In jedem Bürstenstrich lag Trauer, auch in Luisas dunklen Augen, die ins Leere zu starren schienen.
Schließlich zogen sich Luisa und die Indianerin zurück, ließen Angela der Ankunft von Navarro harren.
Er klopfte an die Tür, genauso wie die Mutter es vorhergesagt hatte. Aber anstatt dann die Lampe herunterzudrehen und sich im Dunkeln zu entkleiden, ließ er, als er seine Jacke und die Stiefel auszog, das Licht an. Und während Angela, die Hände im Schoß gefaltet, mit klopfendem Herzen und verschüchtert auf der Bettkante hockte, schenkte sich Navarro einen Brandy ein und machte es sich in einem Sessel am Feuer, das seine Haut seltsam bleich erscheinen ließ, bequem.
Er streckte die Hand aus. »Was machst du denn da? Komm her und lass dich anschauen.«
Er hatte die Schatulle mit dem Hochzeitsgeschenk für sie auf den kleinen Tisch neben sich gestellt, und als Angela beklommen vor ihm stand, hob er den Deckel. Gleißendes Gold blitzte auf. Er sah Angela an, musterte eingehend ihren Körper von oben bis unten, ließ seinen Blick am längsten auf ihrem Haar verweilen.
»Das Ding kannst du ausziehen«, sagte er schließlich.
»›Das Ding‹, Señor?«
»Das Ding, das du anhast.« Er vollführte eine ruckartige Bewegung mit dem Handgelenk. »Zieh es aus.«
Ihre Stirn furchte sich. »Ich verstehe nicht.«
»Hat dir deine Mutter denn nichts gesagt?«, fragte er ungeduldig und stand auf. »Wir sind jetzt verheiratet. Sind Mann und Frau. Das Nachthemd ist überflüssig.«
Angela schoss das Blut ins Gesicht. Sie drehte sich um und nestelte an den obersten Knöpfen herum.
»Nein«, sagte er. »Sieh mich an.«
Er setzte sich wieder und nippte an seinem Brandy, während Angela umständlich die Knöpfe öffnete. Dann streifte sie sich das Nachthemd zögernd erst über die eine, dann die andere Schulter, bemerkte zum ersten Mal, wie befremdend kalt Navarros Augen waren. Das Herz klopfte ihr bis zum Halse, als sie langsam aus den Ärmeln schlüpfte und schließlich aus dem Hemd stieg, das sie sich
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