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2001 Himmelsfeuer

2001 Himmelsfeuer

Titel: 2001 Himmelsfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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sondern ihr Herz hatte sie um diese späte Stunde aus dem Haus getrieben. Ihr junger Körper glühte vor Liebe, und ihre Gedanken kreisten unentwegt um den morgigen Tag, um die Hochzeit, die am Abend gefeiert wurde, und um das Brautgemach danach.
    Sie ging am Schlachthof vorbei, wo tagsüber reger Betrieb herrschte: Nach dem Schlachten wurde das Vieh sofort gehäutet, die Haut von Fleischresten befreit und dann zum Trocknen in der Sonne ausgebreitet. Nachts roch es hier weniger streng, und die Fliegen schliefen. Der einzige Beweis des blutrünstigen Geschehens am Tage waren die großen Stapel steifer Häute – »Yankee-Dollars« –, die darauf warteten, auf Handelsschiffe verladen zu werden. Vor der Talgkammer standen die riesigen eisernen Bottiche, in denen das Fett der toten Rinder geschmolzen wurde. Den Talg, den man auf diese Weise gewann, benötigte man für die Herstellung von Kerzen und Seife, oder aber man lagerte ihn in großen Ledersäcken ein, für den Handel mit ausländischen Schiffen. Marina schlüpfte in die Talgkammer. Hunderte von langen, dünnen Wachskerzen hingen hier nebeneinander an den Wänden und von der Decke. In der Mitte des Raums stand der unförmige Behälter zum Kerzenziehen, die hölzernen Arme behängt mit Dochtfäden, die verschieden dick mit Talg ummantelt waren. Die Apparatur war jetzt, da sie nicht in Betrieb war, stumm, während sie tagsüber ununterbrochen quietschte, wenn sie sich, von einem Indianer mit der Hand angekurbelt, drehte und tauchte, drehte und tauchte und in einem Arbeitsgang Hunderte von Kerzen produzierte.
    Eigentlich komisch, überlegte Marina, dass es in einem Raum voller Kerzen so finster war. »Bist du da?«, flüsterte sie ins Dunkel. »Bist du gekommen, Liebster?«
    Stiefel scharrten auf dem Steinfußboden. Ein Streichholz flammte auf, und gleich darauf verbreitete eine Laterne ihr mildes Licht.
    Marina hielt den Atem an, als sie ihr Gegenüber ausmachte – den Americano. Für einen Augenblick war sie wie vom Donner gerührt, starrte Daniel Goodside an, sah sein blondes, vom matten Lichtschimmer umrahmtes Haar, die blauen Augen, die wie der Mittagshimmel leuchteten, die gleichsam erstaunt leicht geöffneten Lippen. Und dann flog sie ihm entgegen und warf sich in seine Arme, empfing seinen Kuss und klammerte sich verzweifelt an ihm fest, als wollte sie ihn nie wieder loslassen.
    Niemals würde sie den Tag vergessen, an dem sie – drei Monate war das jetzt her – ausgeritten und an der Grenze des Anwesens einem Fremden begegnet war, der auf einem Hocker saß und in einem großen Buch Skizzen entwarf. Seine Jacke lag ordentlich zusammengefaltet im Gras, sein Hemd leuchtete strahlend weiß, und ein großer Strohhut verbarg sein Gesicht. Als er sie näher kommen hörte, schaute er auf, erhob sich langsam und riss sich den Hut vom Kopf, und sie gewahrte dieses Haar, das die Farbe von reifem Weizen hatte, diese Augen, die so blau waren wie Kornblumen. Und sein Bart erst! Wie Schaffell war er, kurz geschoren und ein verstecktes Lächeln umspielend. Er hatte die Krawatte gelockert, sodass sie seinen gebräunten Hals sah, und der Stoff seiner Reithosen umspannte kräftige, muskulöse Beine. Wie ein junger Gott war er ihr vorgekommen.
    Und dann hatte er sie auf Spanisch gegrüßt! Wo sie doch bislang geglaubt hatte, Yankees seien lediglich des Englischen mächtig. Und wie gut und zudem fast akzentfrei er ihre Sprache beherrschte! Mehr als ein Gott – ein Zauberer, ein Magier. Knisternde Stille hatte sie damals umfangen, einen Augenblick lang, als sie sich stumm gegenüberstanden, derweil ein sommerlicher Windhauch sein sonnengelbes Haar zauste und Marinas Herz sich auftat wie eine Prunkwinde unter den Strahlen der Sonne. Und dann hatte der Fremde gesagt: »Verzeihen Sie, Señorita, dass ich Sie so anstarre. Aber beim Besuch Ihrer Stadt der Engel habe ich mich gefragt, nach welchen Engeln sie benannt wurde. Nun weiß ich es.«
    Jetzt, da sie sich an ihn schmiegte, seinen Geruch einsog, seine starken Hände spürte und, das Ohr an seine Brust gepresst, dem tiefen Timbre seiner Stimme lauschte, als er sagte: »Was soll nur aus uns werden?«, stieg in Marina ein Schluchzen hoch und hinderte sie am Atmen. Seit drei Monaten hatte sie Freude und Kummer durchlebt, Ungewissheit und Träume. Sie hatte geglaubt, Pablo zu lieben – bis sie Daniel begegnet war. Aber sie war Pablo versprochen, und das Wunder, von diesem Versprechen entbunden zu werden, um das sie Abend

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