2001 Himmelsfeuer
für Abend gebetet hatte, war nicht eingetreten. Und jetzt musste sie Abschied von Daniel nehmen, der morgen mit der Flut auslief.
»Ich werde sterben«, flüsterte sie an seiner Brust. »Ohne dich kann ich nicht leben.«
»Ich auch nicht, liebste Marina«, sagte er und strich ihr, diesem bezaubernden Engel in seinem Arm, übers Haar. »Gott hat mir die Aufgabe auferlegt, fremde Länder zu erforschen, und ich werde deine Kraft und deine Güte brauchen, auf dass sie mich auf diesem schwierigen Pfad leiten. Bevor ich dir begegnete, war ich voller Furcht. Wenn ich übers Meer schaute, erzitterte meine Seele bei dem Gedanken, mich in die Hände der Barbaren zu begeben. Und dann bist du, eine freundliche und sanftmütige Seele, in mein Leben getreten und hast mich beschwichtigt. Du erinnerst mich immer wieder an Gottes Gnade und daran, dass wir niemals allein sind. Ich sehe Tage der Versuchung auf mich zukommen, und ich habe Angst, ohne dich zu versagen.«
Drei goldene Monate lang hatten sie gemeinsam einem wunderbaren Traum nachgehangen, waren Hand in Hand am Rande des Schwemmlands entlanggewandert, wo niemand sie entdecken konnte. Daniel hatte von den Wundern in der Welt erzählt, Marina sie sich vorgestellt. Als er ihr gesagt hatte, was er ihr alles zeigen wollte, hatte Marina ihm geglaubt. Sie hatten sich Illusionen hingegeben. Aber vor der Realität gab es kein Entrinnen, auch nicht vor ihrer Heirat mit Quiñones. Und jetzt war der Tag angebrochen, da ihre Illusionen in sich zusammenstürzten.
Marina hielt die Luft an. Sie wusste, was jetzt kam – die verbotenen und bis jetzt nicht geäußerten Worte, die aber, wie sie spürte, aus Daniel herausdrängten. »Komm mit mir mit«, sagte er. »Werde meine Frau.«
Liebe schwappte über sie hinweg wie eine Meereswoge, aber auch Schmerz und Angst und Kummer. Nach nichts unter Gottes Sonne verlangte sie es mehr, als Daniels Frau zu werden und mit ihm durch die Welt zu ziehen. Aber sie kannte den Preis für eine derart selbstsüchtige Handlungsweise.
So ungern sie sich aus seiner schützenden Umarmung löste, wich sie jetzt doch zurück, weil sie zumindest einen kleinen räumlichen Abstand für das brauchte, was sie ihm zu sagen hatte. »Ich kann nicht mit dir gehen, Daniel. Mein Vater ist ein stolzer und aufbrausender Mann. Sein Zorn wäre grenzenlos, wenn ich ihn hintergehen und Schande über die Familie bringen würde.«
»Aber du wärst weit weg von ihm, Marina.«
»Nicht um mich habe ich Angst. Er würde meine Mutter für mein Tun bestrafen. Grausam bestrafen, solange sie lebt. Wie könnte ich unter solchen Umständen mit dir, meinem geliebten Daniel, glücklich sein?«
Er umfasste ihr Gesicht. »Liebe«, flüsterte er, »ist ein so großes Mysterium, dass sie alles andere außer Acht lässt.« Wieder küsste er sie, leidenschaftlicher diesmal, und ihr Körper antwortete.
»Gott im Himmel«, sagte er mit rauer Stimme und war sich bewusst, dass sie an einer gefährlichen Klippe angelangt waren. Es wäre so einfach. Auf dem Boden lag Stroh. Niemand würde etwas erfahren.
»Es darf nicht sein«, raunte er ihr ins Ohr. »Ich will es nicht, nicht auf diese Weise. Wenn wir nicht als Ehemann und Ehefrau zusammen sein dürfen, werde ich mich mit deinen Küssen zufrieden geben.«
Eng umschlungen standen sie da, hörten das verzweifelte Brüllen des Grizzlys in seinem Gehege, das Klirren der Ketten bei seinem Versuch, sich zu befreien.
Marina weinte leise vor sich hin, bis sie sich entschlossen von Daniel losriss und ihn ein letztes Mal lange ansah. »Ich muss jetzt gehen. Vater könnte uns überraschen.«
Er hielt sie an den Schultern zurück. »Ich werde mich bis morgen um Mitternacht im Haus von Francisco Marquez aufhalten«, sagte er eindringlich. »Mit der Flut laufe ich dann aus. Ich bete von ganzem Herzen, Liebste, dass du die Kraft aufbringst, mit mir zu kommen. Wenn ich aber nichts von dir höre, werde ich das als ein Zeichen Gottes hinnehmen, dass wir nicht füreinander bestimmt sind. Und solltest du Quiñones heiraten, wünsche ich dir ein langes und glückliches Leben an seiner Seite. Ich werde dich nie vergessen, und niemals werde ich eine andere so lieben wie dich, meine liebste, liebste Marina.«
»Mamá! Komm schnell! Irgendwas ist mit Marina los! Ich glaube, sie hat einen ihrer Anfälle!«
Mehr brauchte Carlotta nicht zu sagen. Angela stürzte bereits zur Küche hinaus, wo Dienstboten damit beschäftigt waren, Gläser für die ankommenden
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