2001 Himmelsfeuer
Rage. Was er von ihr erwartete, war einfach zu viel! Diese entwürdigende Situation war die hundert Dollar nicht wert, die sie ihm schuldete.
Als Seth sich wie jeden Abend auf den Weg zu Charlie Bigelow machen wollte, hielt sie ihn zurück. »Einen Moment bitte. Ich muss noch etwas wissen.«
»Ja?«
»Señor Boggs.«
»Ja.« Sie sah, wie sich sein Kiefermuskel spannte.
»Sie sagten, er sei ein schlechter Mensch.«
»Ja«, erwiderte er, und sie wartete. Nach einem kurzen Moment holte er tief Luft. »Sie hätten es nicht lange bei ihm ausgehalten. Frauen wie Sie tun das nicht.«
»Er hätte mich arbeiten lassen?«
Seth blickte in ihre unschuldigen, weit aufgerissenen Augen, und wusste nicht, wie er sich ausdrücken sollte. »Die Ladys, die über dem Saloon wohnen«, sagte er. »Das hätte Cyrus Boggs auch mit Ihnen gemacht.«
Einen Herzschlag lang geschah gar nichts. Eine tiefe Röte schoss Angelique ins Gesicht, dann wurde sie aschfahl. »Morgen«, erklärte sie, »werde ich keinen Reis mehr anbrennen.«
Seth übernachtete weiterhin in Charlie Bigelows Zelt, ging aber jeden Morgen zu seiner Hütte, um dort zu frühstücken, sich ein frisches Hemd anzuziehen und seinen Mittagsimbiss einzupacken, den Miss D’Arcy ihm bereitet hatte. Nachdem sie auch nicht wusste, wie man Wäsche wäscht, hatte er sich sein erstes sauberes Hemd seit Miss D’Arcys Ankunft für einen astronomischen Betrag bei Ostler kaufen müssen. Daraufhin zeigte er ihr, wie man Wasser über dem Feuer aufsetzt, wie man den Holzbottich vor der Hütte füllt, wie man Seifenflocken von dem Seifenblock schabt und die Wäsche in der Lauge einweicht. Es gelang ihm sogar, ihr beizubringen, wie man ein Frühstück bereitet, aber das hielt nicht lange vor. Das Brot war jedes Mal entweder verbrannt oder nicht durchgebacken, und der Kaffee geriet entweder zu stark oder zu dünn. Sein Mittagsimbiss bestand ausnahmslos aus Räucherwurst, wenigen genießbaren Scheiben Brot und Äpfeln, die vom fliegenden Händler stammten. Am Ende eines jeden Tages kam Seth zum Abendbrot nach Hause, das meistens ruiniert war, worauf er bei Eliza zwei fertige Mahlzeiten holte. Nach dem Abendessen, während Angelique das Geschirr spülte, nahm Seth sein Schraubglas mit den Tageseinnahmen zur Hand – Goldflitter, -staub und -körner. Er wusch und trocknete das Gold, wog es auf einer kleinen Waage und steckte es in einen Lederbeutel, den er in einer verschließbaren Lade verstaute. Wenn es Zeit wurde, schlafen zu gehen, verabschiedete er sich und zog zu Charlies Hütte. Ansonsten verlief sein Leben in Devil’s Bar nicht anders als vor der Ankunft seines unerwarteten Hausgastes. An jedem Wochenende ritt er nach American Fork, wo er sein Gold schätzen ließ und in der Bank deponierte. Samstagabends holte er den großen Waschbottich hervor, füllte ihn mit heißem Wasser von der Feuerstelle und schrubbte sich den Alltagsdreck herunter. Dann zog er frische Sachen an und ging in den Saloon, wo er mit Llewellyn, Ostler und Bigelow Whiskey trank und Karten spielte. Danach schaute er im Hotel vorbei, wo er, nachdem der Speisesaal geschlossen hatte, für ein Weilchen mit Eliza Gibbons ›zusammensaß‹, wie er es nannte. Er hatte keine Vorstellung, was Miss D’Arcy in ihrer Freizeit trieb, glaubte jedoch kaum, dass sie kochen lernte.
Während er, die brennende Sonne im Rücken, am Flussufer kniete, ein Gemenge aus Sand und Kies in seinen Siebtrog schaufelte, das Sieb ins Wasser tauchte und behutsam wippte, hoffte er inständig auf einen Nugget, der die von Miss D’Arcy verursachten Kosten decken würde. Natürlich konnte sie nichts dafür. Sie gab ihr Bestes und beklagte sich kaum, dennoch verdarb sie bald jedes Essen, versengte seine Hemden mit dem Bügeleisen und verbrauchte zu viel Lampenöl. Sollte sie ihren Vater je finden, hatte Jack D’Arcy hoffentlich genug Geld mit der Pelztierjagd verdient, um sich um seine kostspielige Tochter zu kümmern.
Er tauchte den Siebtrog wieder ins Wasser, und während er ihn langsam mit einer kreisenden Bewegung schwenkte, sodass Sand und Schlamm über den Rand gespült wurden, ließ er seine Gedanken zu dem Franzosen wandern. Seth hatte bisher jeden Neuankömmling im Lager nach einem Trapper namens D’Arcy befragt. Jetzt begann er, sich Sorgen zu machen. Er hatte davon gehört, dass Indianer des Öfteren Trapper überfielen, weil sie den Indianern ihre Beute streitig machten und ihnen allmählich ihre Lebensgrundlage zerstörten.
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