2001 Himmelsfeuer
Legende von Sleepy Hollow«
markierte.
Die Hände in die Seiten gestemmt, überblickte Angelique die merkwürdige Behausung, die ihrer Meinung nicht einmal für einen Schweinestall gereicht hätte, und beschloss, einiges zu ändern. Sie arbeitete eine gute Stunde lang, bis die Hütte in ihren Augen etwas freundlicher wirkte. Dann nahm sie das Abendessen in Angriff.
Als Seth kurz nach Sonnenuntergang auftauchte, rief er vorsorglich Angeliques Namen, ehe er in die Hütte trat, und dann blieb ihm buchstäblich der Mund offen stehen. Aus allen Ecken stürmten Farben auf ihn ein. Von einer bunt bestickten spanischen Stola, die über das Bett gebreitet war, von kleinen bemalten Heiligenfiguren, von einem kleinen gerahmten Bild, das Maria mit dem Jesuskind zeigte. Votivkerzen flackerten in kleinen roten Glasgefäßen. Ein Damenfächer hing aufgeklappt an der Wand, seine knallgelben Blumenmuster sprangen unmittelbar ins Auge. Von einem Haken baumelte ein hellblauer Schutenhut, der mit hellrosa Bändern und Flamingofedern geschmückt war. Auf dem umgedrehten Pulverfass, das als Nachttisch diente: eine aztekische Statuette aus rosafarbener Jade, ein großer Kristallbrocken aus tiefblauem Azurit, eine kleine, mit Rosen bemalte Vase. Das Pulverfass selbst war unter einem Schultertuch aus schimmernder, smaragdgrüner Seide verborgen. Am Fußende des Bettes steckte ein aufgespannter türkisfarbener Sonnenschirm mit grünen Rüschen. Blutrote Hyazinthen, die, wie er wusste, in Flussnähe wuchsen, standen in einem Wasserglas.
Seth musste mehrere Male zwinkern, als wollte er seinen Augen nicht trauen. Was hatte diese Frau mit seiner Hütte angestellt?
Dann sah er den Rauch, der aus dem Herd kräuselte.
»Was ist passiert? Wo ist mein Abendbrot?«
Sie wedelte hilflos mit den Händen. »Ich versuche, Señor. Aber ich weiß nicht wie.«
Er sah sie ungläubig an. »Wieso wissen Sie nicht, wie man ein einfaches Abendessen kocht?«
»Woher sollte ich das wissen?«
»Weil Sie eine Frau sind und – großer Gott, Sie haben fast das ganze Kerosin verbraucht!«
»Das hier ist
un calabozo.
Ein dunkles Verlies! Ich brauche Licht!«
»Lassen Sie die Türen offen.«
»Dann kommen die Fliegen.«
Seth musterte die Frau von oben bis unten. »Wieso sind Sie voller Ruß?«
Worauf sie ihm schilderte, wie sie versucht hatte, den Ofen in Gang zu bringen und stattdessen dicke Rauchschwaden herausgequollen waren. Also erklärte er ihr, dass man zuerst die alte Asche vom Rost rütteln und in einen Eimer schaufeln muss. Dann zeigte er ihr, wie man den Rauchabzug einstellt.
»Haben Sie keine Schürze?«
Angelique zuckte nur mit den Schultern.
»Wir brauchen Kaffee zum Abendbrot«, erklärte er mit einem Seufzer und drückte ihr den Kaffeetopf in die Hand. Er machte Feuer im Ofen und verschwand nach draußen. Wenige Minuten später kehrte er mit Fleischpasteten und Bratkartoffeln zurück. »Aus Elizas Küche«, sagte er und setzte das Essen auf dem Tisch ab. »Hat mich vier Dollar gekostet.«
»Ist das viel Geld?« Angelique hatte keinerlei Vorstellung davon, was das Leben kostete.
Er ließ sich am Tisch nieder, ohne erst zu warten, bis sie sich gesetzt hatte. »Das ist ein Vermögen! Nicht die Goldsucher werden hier reich, sondern die, die Ware verkaufen. In Virginia kostet ein Taschentuch ganze fünf Cents. Hier kostet es fünfzig Cents!«
Er bediente sich zuerst mit Kaffee, dann schenkte er ihr ein. Als er den Becher an die Lippen führte, stutzte er. Er kostete das Gebräu und verzog das Gesicht: »Was haben Sie mit dem Kaffee gemacht?«
»Wie Sie sagen, Señor. Den Kaffee in den Einsatz gegeben und den Topf aufgesetzt.«
Seth nahm den Deckel ab und schnappte nach Luft. »Sie haben ja ganze Bohnen genommen! Die müssen vorher gemahlen werden. Na ja. Halb so schlimm. Von jetzt an werden Sie’s besser machen.«
Sie wollten gerade mit dem Essen anfangen, als sich vor der Hütte ein fürchterlicher Lärm erhob. Angelique sprang vor Schreck von ihrem Stuhl auf und lief zur Tür, aber Seth aß ungerührt weiter. Draußen sah Angelique einen Mann im Dämmerlicht stehen, der einen schottischen Dudelsack spielte.
»Das ist Rupert MacDougal«, erklärte Seth, als Anquelique wieder eintrat. »Er läutet den Feierabend ganz gern mit seinem Dudelsackspiel ein. Zu unserem Leidwesen kennt er nur eine einzige Melodie.«
Für Angeliques Begriffe hatte Seth seltsame Tischmanieren. Er aß, die Ellbogen auf dem Tisch, und gebrauchte die Gabel wie
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