2001 Himmelsfeuer
eine Schaufel. Es waren nirgendwo ein Tischtuch oder Servietten zu finden gewesen, aber Seth schien daran gewöhnt zu sein, sich den Mund mit dem Handrücken abzuwischen.
Während Angelique in eine Kartoffel biss, die überraschend gut schmeckte, fragte sie: »Wo ist Ihre Goldmine, Señor Hopkins?«
»Ich habe keine richtige Mine. Meine Art der Goldsuche ist anders – ich suche in den Flüssen nach Waschgold. Ich siebe den Sand oder Schlamm aus dem Flussbett durch und sammle die Goldablagerungen. Mir steht nicht der Sinn danach, Löcher in die Erde zu bohren und nach Goldadern zu suchen, wie einige Männer das tun. Das hat mir zu Hause in Virginia schon gereicht, wo die Kohlengruben das Land und die Männer zerstörten. Ich finde, wenn die Natur Gold herumliegen lässt, dann haben wir das Recht, es aufzusammeln. Aber Land aufzureißen, das Gott geschaffen hat, liegt mir nicht.«
Sie beäugte das kleine Schraubglas, das er mitgebracht hatte. Goldflocken und -flitter schwammen darin in Wasser. »Was werden Sie mit Ihrem Goldfund anstellen?«
Er fuhr sich mit der Hand über den Mund, dann machte er sich über die zweite Fleischpastete her. »Ich würde gerne eine Farm haben. Keine Tiere. Das ist nicht das, was mir vorschwebt. Irgendwas Friedliches mit viel Grün. Was mit Gemüseanbau vielleicht.«
»Haben Sie denn Erfahrung?«
»Ich komme aus einer Bergarbeiterfamilie. Aber Gemüseanbau kann man lernen.«
»Wir haben in Mexiko Avocados angebaut«, sagte Angelique. »Die Pflanzen sind aber sehr empfindlich. Zu viel Wind und zu viel Sonne ist nicht gut für sie. Vielleicht Orangen, ja? Zitronen wären auch hübsch. Das kommt darauf an, wo Sie Ihre Farm anlegen. Mandarinen und Grapefruit lieben die Hitze, aber Zitronen brauchen Nebel. Und ich kenne eine Orange, die süßer schmeckt, wenn sie nicht so nah an der Küste wächst.«
Seth blickte sie überrascht an. »Woher wissen Sie das alles?«
Sie zuckte die Schultern. »Ich weiß es eben.«
Nach dem Abendessen holte Seth die Blechschachtel hervor, die das Haushaltsbuch, Tinte und Feder und diverse Papierzettel enthielt. Mit einem Bleistiftstummel schrieb er eine Liste auf die Rückseite eines Handzettels, der einen Zirkus ankündigte, und reichte ihn Angelique. »Bringen Sie das morgen zu Bill Ostler. Er soll Ihnen die Sachen auf der Liste geben und für mich anschreiben. Ich werde heute Nacht wieder bei Charlie Bigelow kampieren und wahrscheinlich die ganze nächste Zeit, solange Sie hier sind.«
Als er am nächsten Morgen zum Frühstück erschien – Eier und Toast, den Angelique bis zur Unkenntlichkeit ruiniert hatte –, erklärte er: »Ich werde besser bei Eliza frühstücken. Machen Sie für heute Abend Reis mit Speck. Bei Reis können Sie nichts falsch machen. Er wird im Wasser über dem Feuer gekocht.« Er deutete auf die Feuerstelle, über der ein schwerer schwarzer Topf an einem Haken hing. »Den Speck finden Sie in dem Fass dort. Wenn man ihn in Lake legt, verdirbt er bei der Hitze nicht.« Er hielt einen Moment inne. »Können Sie Brot backen? Na schön, fragen Sie Ostler, er gibt Ihnen alles, was Sie brauchen.«
Ostlers Kaufladen lag weiter oben an der staubigen Straße, die an Zelten, Blockhütten und langen Leinen voller Wäsche vorbeiführte. Der Laden selbst bestand aus einer leinwandgedeckten Bretterbude. In den Wandregalen stapelten sich Gläser, Dosen, Flaschen, Werkzeug, Geschirr, Küchenutensilien, Medizinfläschchen, ja sogar Stoffballen. Angelique hatte für ihren Auftritt ein Kleid aus taubengrauer Seide mit rosa Spitzenbesatz gewählt. Die rosa Federn an ihrem Hut waren einen Ton dunkler und passten genau zu ihren Handschuhen und dem Sonnenschirm. Als sie den Laden betrat, waren drei Frauen gerade damit beschäftigt, in Schachteln mit Nähgarn und Knöpfen zu kramen, die Seth Hopkins aus San Francisco mitgebracht hatte. Angelique musste einen Moment stehen bleiben, bis sich ihre Augen an das Halbdunkel gewöhnt hatten.
Bill Ostler, ein Mann mit rotem Haarschopf und dickem Bierbauch, ächzte »Ach du meine Güte« und kam hinter dem Verkaufstresen hervorgeschossen, dass er beinahe das Fass mit sauren Gurken umgestoßen hätte. »Miss D’Arcy! Was für eine Freude! Was kann ich für Sie tun?«
Angelique spürte förmlich die Blicke der drei Frauen in ihrem Rücken, als sie Ostler die Einkaufsliste reichte. Als sie ihn fragte, wie man denn Brot machte, hörte sie, wie sich die Frauen zuflüsterten: »Stellt euch das vor. Eine Frau,
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