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2001 Himmelsfeuer

2001 Himmelsfeuer

Titel: 2001 Himmelsfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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öffnete Angelique die Lade, in der Seth seine Sachen aufbewahrte, und holte ein paar jener merkwürdigen Hosen hervor, die aus blauem Drillich gemacht und deren Taschen mit Kupfernieten beschlagen waren. Dazu zog sie eines seiner grob gewirkten Wollhemden an, stopfte es in die Hose und band sich einen Strick um die Taille, um der Hose Halt zu geben. Sie hatte auch längst keine Zeit mehr, große Umstände mit ihrer Frisur zu machen, also kämmte sie sich die Haare aus und flocht sie zu zwei langen Zöpfen. Als Bill Ostler sie das erste Mal so sah, war er richtig erschrocken. »Jesus, ich dachte, ich sehe ’ne Squaw«, stammelte er.
    Da Seth keine feste Nahrung aufnehmen konnte, überwand Angelique ihre Angst vor dem Herd – Kochen war jetzt eine Frage von Leben und Tod. Sie lernte, wie man das Feuer in Gang hielt, wie man Reis richtig kocht, gab Salz und Zucker dazu, damit Seth zu Kräften kam. Haferflockenbrei. Rinder- und Gemüsebrühe. Kalter Tee.
    Als ihre Vorräte aufgebraucht waren, ging Angelique wieder zum Hotel. Sie konnte niemanden entdecken. Der Speisesaal und die Küche lagen wie ausgestorben da. Im ersten Stock hörte sie jemanden stöhnen, dann fürchterlich würgen. Hinter dem Haus lag ein stinkender, schwelender Haufen Bettwäsche. Angelique hastete weiter zu Bill Ostler, der nunmehr ernsthaft krank war und sich nur noch an die Tür schleppte. »Kann ich irgendwas für Sie tun?«, bot Angelique an.
    »Es liegt in Gottes Hand, Miss D’Arcy. Bei Typhus weiß man nie, wen es erwischt. Die Entscheidung liegt allein beim Allmächtigen.« Er brach zusammen, und Angelique half ihm ins Bett. Sie sah Mrs. Ostler, vom nahen Tod gezeichnet. Sie bediente sich im Laden mit Ware und ließ einen Beutel mit Goldstaub auf dem Tresen zurück.
    Sie ging noch bei den Swensons vorbei in der Hoffnung, ein paar Eier erstehen zu können, und fand Ingvar, der versuchte, seiner Frau zu helfen. Als Angelique zu Mrs. Swenson ins Zimmer trat, sah sie das schlafende Baby in ihrem Arm. Sie schaute genauer hin und bekreuzigte sich.
    »Mr. Swenson, Ihr Baby …«
    »Ich weiß. Sie lässt es mich nicht begraben, das arme Wurm.«
    Bis auf streunende Hunde lag das Lager verlassen da. Angelique entdeckte neue Grabstellen auf der Anhöhe und fragte sich, wer da begraben lag und wer noch die Kraft aufgebracht hatte, die Gräber zu schaufeln. Der Gestank von Krankheit hing über der Siedlung. Angelique erkannte diesen Geruch wieder. Sie erinnerte sich an die Typhusepidemie, die Mexiko vor Jahren heimgesucht hatte, und sie erinnerte sich an die Bestattungen, bei Tag und bei Nacht. Bis die Krankheit sich ausgetobt hatte, würde in Devil’s Bar noch so manches Grab dazukommen.
    Sie blieb ständig an Seths Seite. Wenn er sich vor Schmerzen wand und im Delirium umherwarf, wiegte sie ihn in den Armen. Und wenn sie ihn aufrichtete, um ihm Essen einzuflößen, wenn sie ihm das Gesicht streichelte, empfand sie eine ungeahnte Zärtlichkeit für ihn.
    Jede Nacht fiel sie zu Tode erschöpft ins Bett.
    Am siebzehnten Tag nach ihrer geplanten Abreise mit der Postkutsche blickte Angelique in Seths gequältes Gesicht und auf den ausgezehrten Körper. Seths Augen lagen tief in den Höhlen, sein Haar war schütter geworden. Und seit Tagen schon hatte er die Augen nicht mehr geöffnet. Sie wusste, dass ein Mensch nicht zwei Wochen lang im Fieber brennen und überleben konnte. Aber was sollte sie tun? Schwach vor Hunger und erschöpft von den endlosen Nächten ohne Schlaf starrte sie wie in Trance auf den kranken Mann, aber es war kein Fieber in ihrem Blick, es war die Krankheit der Seele.
    In Devil’s Bar herrschte Grabesstille. Kein Honky-Tonk-Klavier klimperte mehr im Saloon, kein Getrappel von Pferdehufen war mehr zu hören, kein Quietschen von Wagenrädern, keine menschlichen Stimmen. Angelique konnte sich nicht mehr erinnern, wann sie zuletzt mit einem Menschen gesprochen hatte. Als sie nach Charlie Bigelow schauen wollte, hatte sie ihn tot in seinem eigenen Dreck liegend vorgefunden, er war ohne Pflege mutterseelenallein gestorben. Es kamen auch keine Besucher mehr nach Devil’s Bar, und die letzte Postkutsche war vor vielen Tagen durchgekommen. Man hatte sie aufgegeben, überließ sie ihrem Schicksal, ließ sie einfach sterben.
    Gegen Mitternacht, die Lampe brannte die letzten Tropfen Öl nieder und Angelique saß an Seths Bett, da spürte sie eine merkwürdige Ansammlung von Schatten um sich herum. Zunächst hielt sie sie für die Geister

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