2001 Himmelsfeuer
noch so gehasst hatte. Und sie schwor sich: Ich werde tun, was getan werden muss.
Als sie wieder in die Hütte trat, fand sie Seth auf dem Boden liegen. Er hatte versucht, sich auszuziehen und zu waschen, und war dann zusammengebrochen. Die Laken und die Decke waren völlig verschmutzt. Sie bezog das Bett mit dem letzten sauberen Laken, bettete Seth in die Kissen und deckte ihn mit seiner für den Winter reservierten Steppdecke zu. Dann hastete sie zu Elizas Hotel und erfuhr von dem Zimmermädchen, dass Eliza und vier Hotelgäste ebenfalls erkrankt waren. Die Köchin war noch wohlauf, sie versorgte Angelique mit Brot, Suppe, Wurst und Eiercreme. Nachdem sie sich vier saubere Laken vom Zimmermädchen hatte geben lassen, eilte Angelique zu Bill Ostler, der behauptete, in Ordnung zu sein, obwohl seine Augen fiebrig glänzten. Er warnte sie: »Das hohe Fieber kann gefährlich werden, wenn man es nicht schnell runterkriegt. Es kann zu Anfällen und bleibenden Hirnschäden führen. Sogar zum Tod. Halten Sie Seths Haut feucht und fächeln Sie ihm Kühlung zu. Geben Sie ihm viel kaltes Wasser zu trinken. Und waschen Sie auf keinen Fall seine Laken. Es muss alles verbrannt werden, die Kleidung, die Bettwäsche, alles.«
Schließlich lieh sie sich von Llewellyn, dem Waliser, ein Faltbett, auf dem sie selber schlafen würde.
Als sie zu Seth zurückkehrte, hielt er sich den Bauch und stöhnte. Angelique wärmte das Essen aus dem Hotel auf, aber er konnte nichts bei sich behalten.
Seine Temperatur erhöhte sich schrittweise über drei Tage lang und blieb dann konstant. Auf die Brechanfälle folgte Durchfall, also holte Angelique noch mehr Laken aus dem Hotel und verbrannte die verschmutzte Wäsche hinter der Hütte. Seth lag apathisch auf dem Bett, bemüht, seine Schmerzen nicht zu zeigen, aber Bill Ostler hatte sie gewarnt, dass Typhus den Darm angriff, dass es zu äußerst schmerzhaften Geschwüren oder sogar zu Darmbluten kommen konnte.
Seth musste unbedingt gewaschen werden. Angelique wischte ihre Bedenken beiseite, schließlich war sie ja einmal verheiratet gewesen, und wusch Seth im Bett von oben bis unten aus einer Schüssel mit warmem Wasser, wobei sie aus Taktgefühl seine Lenden bedeckt ließ. Bei dieser Gelegenheit entdeckte sie Narben auf seinem Rücken. Sie zog die Lampe näher und betrachtete sie genauer. Die Narben liefen kreuz und quer über seinen Rücken, sie formten das reinste Gittermuster. Da sie erst ein paar Jahre alt waren, mussten sie von der Gefängnispeitsche stammen. Die vernarbten Stellen an seinen Hand- und Fußgelenken konnten nur von Handeisen und Beinschellen herrühren. Die Tränen stiegen ihr in die Augen. »Heilige Schmerzensmutter«, wisperte sie und bekreuzigte sich, während ihre Tränen auf die Narben tropften. »Du armer, armer Mann.«
Das Fieber blieb unverändert hoch, Seth glitt zunehmend ins Delirium. Auf seiner Brust und seinem Bauch trat ein blassrot-fleckiger Ausschlag auf, und schließlich fiel er in einen ohnmachtsähnlichen Schlaf. Von Angst gepackt versuchte Angelique verzweifelt, das Fieber mit feuchten Umschlägen zu senken. Sie war Tag und Nacht auf den Beinen, machte feuchte Wickel, fächelte Seth Kühlung zu, flößte ihm kaltes Wasser ein. Wenn sie einmal einnickte, raffte sie sich sogleich wieder auf und machte weiter. In Erinnerung daran, dass die mexikanischen Damen sich in der größten Sommerhitze die Handgelenke und Schläfen mit Kölnischwasser betupften, badete sie Seth in ihrem Toilettenwasser, damit der verdunstende Alkohol ihm Kühlung brachte. Als ihre Duftwässer aufgebraucht waren, eilte sie zum Saloon, der verlassen dalag, und griff sich die letzte Flasche Whiskey, um Seth darin zu baden.
Nachdem sie auch die letzten Laken verbrannt hatte, wollte sie neue aus dem Hotel holen, aber es gab keine mehr. Auch bei Bill Ostler nicht. Devil’s Bar lag unter einer stinkenden Rauchglocke von den vielen Feuern, in denen Bettwäsche und Kleidung verbrannt wurden. Wieder in der Hütte, zog Angelique ihren Reisekoffer hervor, holte ihre Unterröcke aus weicher Baumwolle heraus und bezog das Bett damit. Als die Unterröcke verbraucht waren, riss sie ihre Kleider in Stücke, bettete Seth auf smaragdgrüne Seide oder rosa Satin und warf die verschmutzten Sachen auf den schwelenden Haufen hinter der Hütte. Sie setzte den Haufen erneut in Brand und schaute zu, wie ihre Seidenkleider verkohlten und in Rauch aufgingen.
Da nun alle ihre Kleider als Bettwäsche dienten,
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