2001 Himmelsfeuer
fächelte sich damit Kühlung zu. »Wird es aber eines Tages sein. Die Transatlantik-Eisenbahn wird gebaut, und mit ihr werden Scharen neuer Einwanderer aus dem Osten kommen, alle hungrig auf Land. Man sieht kaum noch Indianer. Waren mal an die Tausende, aber in den letzten fünfundzwanzig Jahren ist ihre Zahl ständig zurückgegangen. Die Missionen wurden aufgelöst, die Indianer laufen gelassen. Die sind einfach verschwunden, meistens in den sicheren Tod.«
Während er sich die Finger ableckte und dann mit seinem Taschentuch trocknete, blickte er sich suchend um. Er hatte ein paar Männer losgeschickt, die Familie für ein Gruppenbild zusammenzutrommeln. Außerdem sollte er das Familienoberhaupt, Señora Angela Navarro, interviewen und fragen, wie man sich mit neunzig fühlte.
»Irgendwas Mysteriöses ist 1830 in dieser Familie passiert«, fuhr er fort, während der Fotograf weiterhin mit seinen Gerätschaften hantierte, Fotoplatten bereitlegte und gelegentlich in die Sonne blinzelte. »Die jüngste Tochter ist an ihrem Hochzeitstag verschwunden, und Navarro, dem diese Ranch gehörte, legte sich mit einer unerklärlichen Krankheit ins Bett. War, wie ich hörte, wochenlang bettlägrig, und als er wieder aufstand, war er völlig verändert. Zeigte überhaupt kein Interesse mehr an der Ranch, sodass seine Frau die Leitung übernehmen musste.
Wie man sich erzählte, haben die Leute sie zuerst gar nicht ernst genommen, schließlich war sie bloß eine Frau und Navarro immer noch am Leben. Aber einmal, als der Winterregen einsetzte, warnte die Señora alle, dass es zu schrecklichen Überschwemmungen kommen würde. Ja, sie ließ ihre Arbeiter sogar Abflussgräben an den Abhängen ihres Anwesens ziehen. Die anderen Rancher hörten nicht auf sie, und als dann das Hochwasser kam und die gesamte Ernte zerstörte, passierte nur Rancho Paloma nichts wegen der Abflusskanäle. Von da an haben sie auf sie gehört. Als sie die Viehzucht reduzierte und mit dem Anbau von Zitrusfrüchten und Wein anfing, erklärten die anderen Rancher sie für verrückt. Aber schauen Sie doch bloß, was auf den anderen Ranches los ist. Das Vieh stirbt weg, und die Besitzer müssen ihr Land verkaufen. Nicht so Angela Navarro. Eines Tages wird sie die reichste Frau von ganz Kalifornien sein.
Ich erinnere mich noch an meine erste Begegnung mit ihr 1846 . Ich kam die Old Road herunter, als ich sie sah. Beeindruckend. O ja, ich hatte Reiterinnen in New York gesehen, aber Angela Navarro ritt wie ein Mann. Nicht im Damensitz! Und sie trug den breitkrempigen schwarzen Hut der mexikanischen Cowboys. Wie man sagt, hat sie ihr Grundstück jeden Tag abgeritten, hat die Orangen- und Zitrushaine inspiziert, die Reihen mit den Rebstöcken, die Avocadofelder, ja, sie gehörte praktisch zur Landschaft. Na ja, als das Alter dann seinen Tribut forderte, musste sie auf einen Pferdewagen umsteigen.«
Er zog seine Taschenuhr hervor und ließ den Deckel aufspringen. Wahrscheinlich kamen alle alteingesessenen Kalifornier und reiche amerikanische Neuansiedler zu dieser Feier. Behandelten sie wie eine königliche Hoheit. Als ob sie eine Königin wäre. Er lachte über seinen kleinen Scherz. Angela Navarro, Königin von Los Angeles!
»Abgesehen von der Leitung der Ranch«, fuhr er laut fort, obwohl der Fotograf wesentlich mehr mit seinen Chemikalien beschäftigt zu sein schien, was Ryder nicht weiter störte, stellte sein Monolog doch praktisch den Probelauf für den Artikel dar, den er zu schreiben gedachte, »setzte sie sich mit aller Energie für wohltätige Zwecke und das Gemeinwohl ein. Yes, Sir, Navarros Witwe war die treibende Kraft in dieser Stadt. Ihr ist es zu verdanken, dass richtige Gehwege gezimmert wurden, damit die Damen auf den Straßen wandeln konnten, ohne ihren Rocksaum durch den Staub oder Matsch zu schleifen. Sie half 1856 bei der Gründung der Catholic Sisters of Charity, die ein Waisenhaus für Kinder jeder Konfession eröffneten. Sie legte den Grundstein für das erste Krankenhaus, und zweimal im Jahr, an Ostern und an Weihnachten, verteilt sie Lebensmittel und Kleidung an Witwen und Waisen. Als der Stadtrat im Jahr 1853 das erste Schulamt einrichtete, gehörte Angela Navarro zum Gremium der ersten Stunde, und als die erste staatliche Schule an der Ecke Spring Street gebaut wurde, bestand Angela Navarro darauf, dass die Schule Jungen wie Mädchen offen stand. So, damit Sie’s wissen, Mister, Sie fotografieren hier nicht irgendjemanden.«
»Ich bin
Weitere Kostenlose Bücher