2001 Himmelsfeuer
Rinder geschaffen. Die Tiere kamen aus Übersee. Deshalb gingen sie hier ein.
»Captain Hancock hat festgestellt, dass Erdöl in seinen Boden einsickert. Das macht das Land für Ackerbau und Weiden nutzlos. Wir sind gar nicht so weit von den Teergruben entfernt. Bei uns könnte auch Öl im Boden lagern. Wir müssen Großmutter dazu bringen, die Ranch zu verkaufen, solange das Land noch gut ist.«
»Jeder verkauft. Die Picos und die Estradas haben viel Land an amerikanische Neusiedler wie George Hearst und Patrick Murphy verkauft. Wir wären gut beraten, wenn wir das auch täten.«
Die Männer waren in Begleitung von Frauen in weiten, wippenden Reifröcken. Angela trug keines dieser schweren, lästigen Drahtgestelle unter ihren Kleidern, sie begnügte sich mit einem schlichten Unterrock. Außerdem hatte sie vor fünfzehn Jahren das Korsett abgelegt. Die Frauenmode, befand sie, wurde immer mehr zu einer Tortur.
Sie begrüßte ihre Enkelsöhne und deren Frauen mit einem warmen Lächeln und offenen Armen. Sie freute sich jedes Mal von Herzen, wenn die Familie zusammenkam.
Navarro fehlte natürlich. Er war vor zwanzig Jahren gestorben, genau sechzehn Jahre nach der Nacht, da Angela ihn niedergestochen hatte. Als Angela in dieser Schicksalsnacht sah, dass Navarro noch lebte, hatte sie einen Arzt rufen lassen, der die Wunde nähte und verband und den Mann mit Angelas Hilfe ins Bett legte. Der Arzt war für sein Schweigen bezahlt worden, und als Navarro das Bewusstsein wiedererlangte, hatte er seiner Frau und der ältesten Tochter verboten, irgendjemandem den wahren Grund für seinen Zustand zu verraten – von der eigenen Frau niedergestochen zu werden, war eine zu große Demütigung für einen Mann.
Ja, und Marina fehlte natürlich auch.
Sechs Monate nach der Flucht ihrer Schwester in ihrer Hochzeitsnacht hatte Carlotta einen Brief von Marina erhalten, in dem sie schrieb, dass es ihr gut ging. Carlotta hatte ihr geantwortet, dass ihr Vater nicht tot sei, dass er die Stichwunde überlebt hatte und sie, falls sie je wieder einen Fuß über die Schwelle seines Hauses setzte, töten würde, weil sie mit einem Amerikaner durchgebrannt war. Danach hatte Carlotta nie wieder etwas von ihrer Schwester gehört, und als Navarro dann schließlich gestorben war, wusste die Familie nicht, wo sie Marina erreichen konnte, um ihr zu sagen, dass sie unbesorgt nach Hause kommen könnte. Sie wussten nicht einmal, ob sie überhaupt noch lebte.
»Wir wollten dich zum Fotografen bringen, Großmutter«, erklärten die Enkelsöhne und nahmen sie, jeder einen zerbrechlichen Arm fassend, in die Mitte. »Er macht sich gerade für die Aufnahme bereit. Er meint, das Licht sei jetzt genau richtig.«
Aber da war etwas, das Angela vergessen hatte. Wenn sie nur wüsste, was.
Im September 1846 , bei Ausbruch des mexikanischen Krieges, gab es einen Aufstand gegen das amerikanische Militär, das das Dorf Los Angeles besetzt hielt. Ein amerikanischer Pelztierjäger namens John Brown ritt fünfhundert Meilen in sechs Tagen, um Commodore Stockton in Monterey den Aufstand zu melden. Amerikanische Truppen wurden umgehend in Marsch gesetzt, und kurz darauf schickte der
New York Herald
einen Jungreporter namens Harvey Ryder als Berichterstatter an den Schauplatz.
Das geschah vor zwanzig Jahren. Ryder war nie mehr nach New York zurückgekehrt.
»Schon komisch, wenn man sich das überlegt«, sagte er gerade zu dem Fotografen, der seinen Apparat unter den Banjanbäumen bei der Navarro-Hacienda aufstellte. »Die Spanier kamen vor dreihundert Jahren auf der Suche nach Gold hierher, und als sie keines fanden, haben sie Kalifornien abgeschrieben. Gaben es an die Mexikaner und die verloren es an die Vereinigten Staaten. Und dann wurde Gold gefunden.« Er lachte. »Ich möchte wetten, ihr König wünscht sich, er hätte diese Goldmine nie aufgegeben! Die sollten den Amerikanern lieber dankbar sein. Ohne uns wäre das Gold nie gefunden worden. Es würde immer noch im Boden stecken, und Los Angeles wäre immer noch ein Kuhdorf mit fünfhundert Seelen.« Er schob den Bowlerhut aus der Stirn. »Na ja, es ist immer noch ein Kuhdorf, aber jetzt eins mit
fünftausend
Seelen.«
Der Blick des Reporters folgte einer Indianerin, die mit langen, schwingenden Zöpfen einen Korb voller Früchte auf dem Kopf balancierte. »Der
New York Herald
hat mich als Kriegskorrespondent hergeschickt«, sagte er zu dem Fotografen, der zuhörte oder auch nicht. »Ich sollte über den
Weitere Kostenlose Bücher