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2001 Himmelsfeuer

2001 Himmelsfeuer

Titel: 2001 Himmelsfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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Bogen »Indianer«, wo es doch so viele unterschiedliche Stämme gab, mit jeweils einer eigenen Sprache, eigenen Mythen und Vorfahren? Diese Sterbende hier, überlegte Teresa, ist eine Yang-na. Sie und ich stammen von unterschiedlichen Linien ab. Ich kenne ihre Verhaltensweisen nicht und sie nicht die meinen. Und diese Frauen da drüben, das waren Tongva, ohne jegliche Beziehung zu meinem eigenen Volk. Aber das verstehen die Padres nicht.
    Teresa hatte sich bemüht, die Tradition des nächtlichen Erzählens von Geschichten und Mythen weiterzuführen, die Generationen bis zurück zu den ersten Vorfahren miteinander verbanden. Aber die Padres rissen die Clans und sogar Familien auseinander, brachten Brüder in einer Mission unter, Schwestern in einer anderen; Großeltern wurden von Enkeln getrennt und Cousins von Cousinen, sodass die Geschichten, die nachts erzählt wurden, nicht immer die des eigenen Stammes waren. Teresa befürchtete, dass, wenn es so weiterging, die Älteren sterben würden, ohne ihr Wissen an die Jüngeren weitergegeben zu haben. Deshalb erzählte sie ihren mitgefangenen Geschlechtsgenossinnen, wie die Erste Mutter, die vom Osten her gekommen war, ein Erdbeben ausgelöst hatte, als sie versehentlich auf das Erdloch einer Schildkröte trat. Sie erzählte von dem Fremden, der vom Meer her gekommen war und den Topaa Zauberaugen gebracht hatte. Vielen jedoch bedeuteten Teresas Mythen nichts; sie hatten ihre eigenen. Und als bei der Geschichte von dem Mann aus dem Meer ein kleines Mädchen fragte: »War das Jesus?«, wurde deutlich, dass die eigenen Legenden sich langsam mit denen der Christen vermischten, und noch schlimmer war, dass die Jüngsten Teresa gar nicht mehr verstanden, weil sie nur noch spanisch sprachen. Da sie bei ihrer Taufe zudem spanische Namen erhalten hatten, vergaßen sie nach und nach den, den sie in ihrem Stamm gehabt hatten.
    Teresa umfasste den ledernen Beutel, der ihr an einer Schnur um den Hals hing und den uralten, von der Ersten Mutter weitergereichten Geisterstein enthielt.
    Hatte er etwas mit den Krankheiten ihres Volkes zu tun? Ihre eigene Mutter war an Lungenentzündung gestorben, und jetzt kämpften andere mit Husten und hohem Fieber. Lag es daran, dass keine Geschichten mehr erzählt wurden? Als sie über die verängstigten und leidenden Frauen blickte, machte sie sich selbst Vorwürfe.
Ich hätte nicht hier bleiben dürfen. Ich hätte zurückgehen und die Höhle beschützen sollen. Wer nimmt sich jetzt der Ersten Mutter an? Niemand, und deshalb ist Fluch über uns gekommen.
    Sie wusste, was zu tun war. Um ihr Volk zu retten, musste sie die Höhle aufsuchen, auch wenn das verboten war und man sie streng bestrafen würde. Deshalb musste sie dafür sorgen, dass die Soldaten, die dann bestimmt wie jedes Mal, wenn einer weglief, nach ihr suchen würden, sie nicht fanden. Dabei hatte sie vor der Strafe weniger Angst als davor, niemals wieder eine Gelegenheit zu bekommen, die Höhle zu betreten.
    Sie musste an Felipe denken. Es zerriss ihr das Herz, ihn zu verlassen und dann zwangsläufig nie mehr zurückkommen zu können. Aber ihr Volk war krank und starb dahin, und um ihm beizustehen, musste sie auf ewig ihrem geliebten Felipe entsagen.
    Die Fensteröffnung war gerade groß genug. Ihre Freundinnen halfen ihr hinauf und wünschten ihr alles Gute, auf Topaa und mit Worten, die Teresa nicht verstand. Sie ihrerseits versprach, sich nicht erwischen und die alten Bräuche nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Dann glitt sie lautlos wie eine Katze in die Nacht.
     
    Als Erstes schlich sie sich in den Kräutergarten, von einem Schatten zum nächsten, immer weiter in die Dunkelheit. Sterne und Mond erhellten ihren Weg. Zwischen den Kräutern und Pflanzen pflückte sie Blüten und dunkelgrüne Blätter, dann huschte sie am Stall entlang, von wo aus sie nach Osten zu dem alten Pfad finden würde, der ins Gebirge führte.
    Als sie ein eigenartiges Geräusch hörte, blieb sie stehen.
    Sie spähte durch einen Spalt in der Stalltür, ohne zunächst ausmachen zu können, was sich dadrinnen abspielte. Und dann hielt sie vor Schreck den Atem an. Im Schweinestall, zwischen zwei Verschlägen, lag Bruder Felipe auf den Knien und geißelte sich den nackten Oberkörper mit sechs knotenbesetzten Lederriemen, die von einem Holzgriff zusammengehalten wurden. Sein Rücken war blutüberströmt.
    Teresa stieß die Tür auf und stürzte auf ihn zu. »Bruder Felipe!«, rief sie und sank neben ihm

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