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2001 Himmelsfeuer

2001 Himmelsfeuer

Titel: 2001 Himmelsfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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diesem elenden Körper zuteil werden lasse. Sieh mit an, wie ich mich kasteie und Essen und Trinken verweigere. Sieh diese Spuren der täglichen Geißelung meines nichtswürdigen Fleisches. Und gewähre mir nur einen kurzen Blick auf dein gesegnetes göttliches Antlitz!
    Seine Schultern sackten ein. Es reichte nicht. Nach drei Jahren der Verleugnung, harter Arbeit und Selbsterniedrigung erkannte Felipe voller Verzweiflung, dass er nicht genug getan hatte, um mit einer Vision Christi belohnt zu werden. Er musste noch mehr tun. Aber was?
Wenn ich zurück nach Spanien könnte, würde ich auf Händen und Knien durch Europa rutschen, nach Porciuncula, wo mein gesegneter und so vollkommener San Francisco starb.
    Neugierig geworden, was Felipes Aufmerksamkeit in Anspruch nahm, schaute Teresa über den Garten und die Weideflächen und Weizenfelder zum Fluss, der sich durch die Ebene schlängelte. »Was siehst du, Bruder Felipe?«
    »Porciuncula«, sagte er mit befremdender Stimme. »So haben wir ihn genannt, zum Gedenken an San Francisco.«
    »Was genannt? Den Fluss?«
    Sie wartete. Ihr Unbehagen nahm zu. »Bruder?«, fragte sie und berührte seinen Arm.
    Als sehe er etwas, was keiner sonst sah, sagte er mit einer Stimme, die von weit her zu kommen schien: »Da gibt es eine bescheidene Kirche unweit von Assisi namens Porciuncula, das bedeutet ›kleines Stück‹. Man nannte sie so, weil sie so unscheinbar war, abgelegen und verfallen. San Francisco kam eines Tages dort vorbei, und als er erfuhr, dass sie nach den Engeln hieß, die Unserer lieben Frau bei ihrer Auffahrt in den Himmel beistanden, beschloss er, die Kirche instand setzen zu lassen und eine Weile dort zu leben. Und während er sich bei Unserer lieben Frau von den Engeln von Porciuncula aufhielt, im Jahre des Herrn 1209 war das, hatte er eine göttliche Erleuchtung, in der ihm sein Lebensweg aufgezeigt wurde. Jahre später, auf seinem Krankenlager, bat er darum, nach Porciuncula gebracht zu werden, um dort zu sterben. Und jetzt, fünfhundert Jahre nach seinem Tod, sind wir hierher gekommen und haben einen Fluss nach der Kirche benannt, die San Francisco so liebte.«
    Er schloss die Augen und schwankte leicht.
    »Bruder Felipe?« Teresa griff nach seinem Arm und erschrak, wie mager er sich unter dem wollenen Ärmel anfühlte. »Geht es dir nicht gut?«
    Als er die Augen öffnete, musste er sich erst einmal wieder zurechtfinden. Er sah die kräftigen braunen Finger, die seinen Arm umklammerten. Dann erinnerte er sich: Teresa. Er erntete mit Teresa die Blätter des Fingerhuts. Verschreckt schaute er sie an. Ihr glattes rundes Gesicht wirkte seltsam beruhigend, ihre geduldige Seele alt wie die Zeit. Etwas Besonderes war an diesem Mädchen, seiner ersten Bekehrten. Er wusste nur nicht, was. Sie unterschied sich irgendwie von den anderen Indianern in der Mission. Ihre Nase war größer, ihr Gesicht schmal mit dem spitz zulaufenden Haaransatz und dem klaren Blick, der auf seine Fragen wartete. Sie stand da wie die Verkörperung einer Antwort, nur dass sie für ihn so unerreichbar war wie die Sterne und die Sonne und der Mond.
    Die Mission war um einen zentralen Platz gebaut: vier lange, strohgedeckte Hütten mit einem inneren Laubengang, der Kapelle, Werkstätten, Küche und Speiseräume, Vorratskammern und die Unterkünfte der Priester miteinander verband sowie mit dem so genannten
monjerio
 – Nonnenkloster –, in dem alle Indianerinnen ab dem sechsten Lebensjahr jeweils nachts eingeschlossen wurden. Durch ein kleines Fenster konnten die eingesperrten Frauen hören, wie die Männer ihres Stammes sich unter dem Sternenhimmel des Lebens erfreuten, ihre Pfeife rauchten und wetteifernd Stöckchen in die Luft warfen. Die Padres hatten zwar versucht, diese Glücksspiele zu unterbinden, waren aber mehr oder weniger gescheitert, weshalb sie den Männern letzten Endes doch ihren Freizeitspaß zugestanden, vorausgesetzt, sie hielten sich streng an ihr tägliches Pensum an Gebet, Feldarbeit, noch mehr Gebet, noch mehr Arbeit.
    Es war spät, die Tür zum Nonnenkloster war bereits versperrt. Teresa huschte zwischen den auf Matten und unter Decken lagernden Frauen umher. Die Anzahl der Kranken war heute Nacht größer. Sie husteten und keuchten und hatten hohes Fieber. Keine von ihnen vermochte etwas zu essen, nur wenige Wasser zu sich zu nehmen. Das Fleisch an ihren Knochen schrumpfte dahin, ihre Lungen spuckten Blut. Sosehr sich Teresa auch bemühte, ihnen mit Bruder Felipes

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