2004 - Im Bann der NACHT
Nächte miteinander verbringen. Vielleicht aber wurde Crom auch kaserniert und bekam höchstens alle zwanzig oder dreißig Seg einmal Urlaub, um sie zu besuchen.
Und noch etwas bedrückte Yessim.
„Du weißt, daß sie dir vielleicht die Hormon-Drüsen entfernen werden", sagte sie. „Dann bist du weder Mann noch Frau, sondern für immer ein Neutrum. Nie wieder werden wir ein Kind haben können."
Crom lag neben ihr auf ihrem Bett und strich ihr sanft über den Bauch.
„Ein Kind werden wir auf jeden Fall haben, Yessim", sagte er. „Das kann uns niemand nehmen. Und meine Geschlechtsmerkmale sind bald so oder so wieder verschwunden, während sie sich bei dir erst nach der Niederkunft zurückentwickeln. Niemand weiß, was wir beim nächstenmal sein würden - vielleicht du der Mann und ich die Frau."
„Du hast dich also mit deinem Schicksal abgefunden", sagte Yessim weinerlich.
„Ich weiß noch gar nichts, Schatz. Ich muß erst darüber schlafen."
„Willst du denn neuer Lord-Eunuch werden?" fragte sie.
Crom lachte trocken.
„Ich fürchte, ich werde nicht gefragt", sagte er. „Natürlich wäre mir ein normales Leben mit dir und unserem Kind lieber. Aber kann ich einfach zum Lord-Eunuchen hingehen und sagen, ich lehne ab?"
„Nein", flüsterte Yessim. „Das kannst du wohl nicht - nicht mehr, seitdem er seine Wahl öffentlich bekanntgegeben hat. Das war vielleicht auch der Zweck der Sache, dir den Rückzug zu verbauen."
„Sprich nicht schlecht vom Lord-Eunuchen, Yessim! Das hat er nicht verdient."
Sie sahen sich lange an. Dann sagte Yessim: „Ich sehe, du hast dich entschieden. Bleiben wir trotzdem Freunde?"
Er nahm sie in die Arme und drückte sie fest an sich.
„Eine Familie, Schatz", versprach er. „Wir bleiben eine Familie."
*
Ein Segaf später gebar Yessim ein gesundes Kind. Crom hatte aus diesem Anlaß Urlaub bekommen und sah sie zum erstenmal seit längerer Zeit wieder. Wie sie befürchtet hatte, war er bei den Eunuchen einkaserniert worden. Auch die Nächte verbrachte er in Nacht-Acht 2, wo seine zweite Ausbildung begann, nachdem ihn der alte Lord-Eunuch in Nacht-Acht 1, dem Steuerzentrum der gesamten Anlage, persönlich eine Zeitlang unterwiesen hatte. Crom hatte gelernt, wie von dort aus die Stromschnelle überwacht und kontrolliert wurde, und sich wieder an seinen alten Traum erinnert - den Traum von dem Universum draußen.
Der Lord-Eunuch hatte ihm Holos von verschiedenen Raumschiffstypen gezeigt, die entweder von Freunden oder von Feinden ESTARTUS geflogen wurden. Am Ende hatte Crom gewußt, welche Schiffe zu den Mundänen gehörten und welche zur Galaktischen Krone.
Nun, in der vertrauten Umgebung von Nacht-Acht 2, lernte er viel über die Ewigen Batterien und ihre Funktionsweise. Täglich hoffte er darauf, Yessim hier wiederzutreffen, doch es war wie ein Fluch, der sie nicht zusammenkommen ließ. Dabei arbeitete sie doch in Nacht-Acht 2.
Aber auch seine Mutter hatte er ja nie getroffen.
Mit Garbam, dem Eunuchen, der ihn führte und immer für ihn da war, hatte er sich bald angefreundet.
Garbam konnte ihm fast jede Frage beantworten. Und einmal, als sie wie jeden Tag gemeinsam den großen Raum aufsuchten, in dem die Robotküche untergebracht war und Dutzende von Servos die per Wahlknopf georderten Speisen an die Tische brachten, hatte er eine Frage an ihn, die über den Bereich der Batterien und der allgemeinen Arbeit in Nacht-Acht 2 hinausging.
Er wurde nämlich Zeuge, wie sich an einem Nebentisch zwei Eunuchen immer heftiger stritten. Es ging, soviel bekam er mit, um ESTARTU und die Frage, ob die Superintelligenz jemals wiederkehren würde.
Jeder der beiden Kontrahenten vertrat seine Position mit eingefleischtem Eifer. Als sie schließlich aufstanden und wieder an ihre Arbeit gingen, fragte Crom Garbam nach dem Grund ihres Streites.
„Du hast noch nichts von den Zynikern der Nacht und den Optimisten der Nacht gehört?" fragte Garbam überrascht.
„Nein, warum sollte ich?" Doch dann erinnerte er sich: Tarnam hatte die Zyniker einmal erwähnt, im Zusammenhang mit seienm Vater.
„Dann will ich es dir erklären, Crom", sagte Garbam und redete mit höchster Geschwindigkeit los. „Es gibt zwei Gruppen unter den Eunuchen, Indoktrinatos und sonstigen Mom'Serimern. Die eine Gruppe glaubt, daß ESTARTU niemals wiederkehren wird. In diesem Fall ist das Dasein, das sie führen, völlig sinnlos - für die mom'serimische Nützlichkeits-Philosophie eine unerträgliche
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