2004 - Im Bann der NACHT
Vorstellung, denn nützlich ist nur der, der eine Aufgabe hat und diese mit einem hohen Ziel verbunden gut erfüllt. Fällt dieses Ziel weg, ist das Leben also sinnlos geworden. Diese Gruppe nennt sich die Zyniker der Nacht, und sie treten dafür ein, alle Anlagen von Nacht-Acht abzuschalten, eingeschlossen die Stromschnelle. Das im Grunde entwurzelte Dasein in Nacht-Acht würde damit ein für allemal enden."
„Eine schreckliche Vorstellung", sagte Crom.
„Warte ab. Da ist noch die andere Gruppe, die sich Optimisten der Nacht nennt. Sie ist von ESTARTUS Wiederkehr in der nahen Zukunft überzeugt und will mindestens noch einige Mom'Serimer-Generationen abwarten. Das Dasein der Mom'Serimer besitzt sehr wohl einen hohen Nutzen, wie sie meinen, indem sie nämlich Nacht-Acht und die Stromschnelle für ESTARTUS Wiederkehr in Bereitschaft halten."
„Und was denkst du?" fragte Crom.
„Das werde ich dir nicht sagen, denn ich darf dich nicht beeinflussen. Aber die Mittagspause ist zu Ende, Crom. Wir gehen wieder an die Ewigen Batterien."
„Noch eine Frage", sagte Crom. „Werde ich mich operieren lassen müssen?"
„Ich fürchte, ja, aber das ist kein Einriß in deine Lebensqualität, und es ändert auch an deiner Beziehung zu Yessim nichts. Sie hat geboren und ist nun ebenfalls wieder ein Neutrum."
„Das ist kein Trost", sagte Crom bitter, obwohl er es besser wußte.
*
Sie sahen sich unregelmäßig. Crom bestand darauf, alle paar Dutzend Seg zu seiner Familie gehen zu dürfen, und ihm wurde jeweils eine Nacht gewährt. Er und Yessim waren nun wieder Neutren - daß Crom inzwischen die Prozedur der Operation an seinen Hormon-Drüsen hinter sich hatte bringen müssen, erwähnte er nicht -, und alles war im Grunde wie früher. Nur das Kind erinnerte sie immer wieder an ihre glückliche Zeit als Geschlechtspartner, und für es würde Yessim immer die Mutter und Crom immer der Vater bleiben.
Crom besprach vieles - nicht alles -, was er in der Zwischenzeit erlebt und gelernt hatte, mit Yessim.
Inzwischen lernte und arbeitete er in Nacht-Acht 3.
Hatte er mit Yessim bisher noch über die Arbeit in Nacht-Acht 2 diskutieren können, so war der Recyclingplanetoid für den Partner und Freund völliges Neuland. Yessim erinnerte sich wie er nur an ihre Kindheitsstreiche dort und an die Katastrophe, die sie beinahe ausgelöst hatten.
Aber Crom erzählte ihm von den Zynikern und den Optimisten der Nacht und fragte ihn nach seiner Meinung. Yessim brauchte nicht lange zu überlegen.
„Wenn ESTARTU nicht wiederkehrt, ist unser Dasein ohne jeden Sinn", sagte er. „Mein Leben soll aber nicht sinnlos sein, deshalb glaube ich an ESTARTU und daran, daß die Superintelligenz eines Tages zu uns zurückkehrt."
Das war einleuchtend, wenn auch vielleicht etwas egoistisch gedacht.
„Ich glaube ebenfalls an ESTARTU", sagte Crom. „Nicht nur, weil der amtierende Lord-Eunuch es tut, sondern weil ich die Weiten des Kosmos gesehen habe und mir das Modell der kosmischen Entwicklung, wie es uns die Indoktrinatos erklärt haben, einleuchtet. Demnach stehen Superintelligenzen so hoch über den Sterblichen, daß ESTARTU nicht für alle Zeiten vor den Mundänen geflohen sein kann. Vielleicht bereitet sie den großen Gegenschlag vor. Auf jeden Fall muß sie ihnen überlegen sein.
Ich weiß es, Yessim. ESTARTU wird zu uns zurückkommen, und dann müssen wir bereit sein, sie zu unterstützen. Deshalb darf die Stromschnelle niemals abgeschaltet werden, geschweige denn ganz Nacht-Acht."
„Ich bewundere dich, Crom", sagte Yessim.
Crom nahm den Freund und seine ehemalige Sexualpartnerin in den Arm und drückte ihn.
„Wichtig ist, daß wir zusammenbleiben. Ich meine damit, daß wir zusammen sind, sooft es geht, mit unserem Kind. Ich will ihm ein guter Vater sein. Kannst du dir das vorstellen?"
„Eher kaum, Crom", sagte Yessim. „Du wirst Lord-Eunuch werden und keine Zeit mehr für uns haben."
„Red keinen Unsinn, Yessim!"
„Du weißt, daß ich recht habe. Die Gesetze lassen es nicht zu, daß sich der Lord-Eunuch mit einer Familie belastet. Er lebt nur für seine Aufgabe."
„Dann werde ich eben die Gesetze ändern!"
Yessim seufzte und kuschelte sich an ihn.
„Wenn du das nur könntest, Crom. Aber du wirst mich und dein Kind vergessen..."
Er antwortete nicht darauf, sondern kraulte sie in den Schlaf.
Crom selbst lag lange wach und starrte die Decke an, auf die der Holo-Projektor einen funkelnden Sternenhimmel warf.
Ja, er
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