201 - Die Rachegöttin
Seekuh die Not ihrer Fracht spüren, tauchte sie auf. Matt atmete tief ein. Er sah die Rückenfinne des großen Fisches auf Rulfan und Chira zuschnellen.
Matt Drax ließ los und tauchte. Er schwamm unter der Seekuh hindurch, zog sich an den kleineren Hornplatten nach oben. Und kam gerade rechtzeitig, um dem Shakaa die Klinge von unten durch die Schnauze zu bohren. Das Tier riss den Kopf herum. Das Messer steckte fest, Matt wurde herumgewirbelt. Er zog die Waffe zurück und geriet in einen Strudel. Er versuchte aufzutauchen, doch die unsichtbaren Arme der Strömung hielten ihn gepackt.
Der Shakaa krümmte sich neben ihm. Blut floss aus der Wunde an seinem Kopf und färbte das türkisfarbene Wasser dunkel. Es zog die anderen Raubfische an. Sie kümmerten sich nicht um Matt, sondern stürzten sich auf den verletzten Artgenossen. Ein heftiges Zerfleischen begann.
Matt kämpfte inzwischen nur noch um sein Überleben.
Jedes Mal, wenn er glaubte, ein Stück zur Wasseroberfläche gewonnen zu haben, wurde er wieder hinab gezerrt.
Verzweifelt versuchte er das Messer zu verstauen, um beide Hände frei zu haben, doch es gelang ihm nicht. Er spürte eine nahende Ohnmacht. Sein Blick wurde unscharf, die kämpfenden Shakaas verschwammen.
Da packte ihn eine Hand beim Gürtel. Er fühlte einen Ruck, als er aus dem Sog des Strudels gerissen wurde. In der gespenstischen Stille sah er Airins verzerrtes Gesicht mit den graugrünen Augen. Sie wies hektisch auf das Seil, das um ihre Hüfte geschlungen war. Matt verstand, griff mit beiden Händen zu und arbeitete sich mit letzter Kraft den Weg bis zu Airins Seekuh und an die Wasseroberfläche hinauf.
Nach einer gefühlten Ewigkeit erreichte er das Rückenhorn und zog sich hoch. Erschöpft lag er auf dem breiten Rücken des Tieres. Gierig sog er die Luft tief in seine Lungen.
Neben ihm tauchte Airins Kopf auf. »Ich sagte festhalten, Maddrax«, meinte sie ungehalten.
Matt nickte nur und beschäftigte sich weiter mit dem Einatmen. »Danke«, brachte er hervor. Sein Blick wanderte zurück zur Küste. Eine steile Felsplatte ragte hinter ihnen auf.
Auf ihrer Spitze schimmerte der Stahlzaun im Licht der Abendsonne. Vor ihnen flachte das Land ab. Die Seekühe steuerten auf eine lange Einbuchtung zu. Rulfan winkte zu Matt herüber. Er hatte bereits festen Boden unter den Füßen.
Chira paddelte neben ihm an Land, so schnell sie konnte. Sie schüttelte sich kräftig auf der roten Sanddüne und blieb in sicherem Abstand zum Meer.
Airin wies auf ein hohes Gebüsch am Strand. »Da hinten stehen unsere Dingoos. Den gefährlichsten Teil haben wir hinter uns.«
Matt stapfte auf Rulfan zu, sobald er stehen konnte. Der Albino fasste seinen Arm. »Danke.« Er sah zu Airin hinüber.
»Ich danke auch dir.«
Airin schnaubte nur. Dankesworte schienen bei den Perons ebenso missachtet zu werden wie Verletzungen.
Die Kriegerin half dabei, Leran zu tragen. Der Mann war kaum noch bei Bewusstsein. »Seht zu, dass ihr nicht von den Dingoos fallt«, meinte sie nur. Matt konnte sie sich gut als Feldwebel in einer schicken Soldatenuniform vorstellen.
»Ein nettes Völkchen, diese Perons«, raunte er Rulfan zu.
»Dagegen sind verärgerte Daa’muren ein Kaffeekränzchen.«
Rulfans besorgtes Gesicht glättete sich. »Sie ist sehr impulsiv, diese Airin. Aber ich weiß nicht, ob die anderen wirklich genauso sind. Außerdem glaube ich, sie mag dich. Ich habe ihren Gesichtsausdruck gesehen, als sie ihre Seekuh losließ und zu dir zurück schwamm.«
»Ich habe schon genug Ärger wegen Chandra«, entfuhr es Matt.
Rulfan sah ihn interessiert an. »Chandra? Davon solltest du mir mehr erzählen. Blutsbrüder teilen ihre Geheimnisse.«
»Später vielleicht«, wehrte Matt ab. Aruula war wütend genug gewesen, als sie sich am Uluru trafen. Sie hatte ihm eine Ohrfeige verpasst. Zu Recht.
»Kommt ihr jetzt endlich?« Airins Stimme erinnerte Matt an ein aufkommendes Gewitter. »Ich wäre gerne vor Mitternacht im Lager!«
Matt schüttelte den Kopf. Hoffentlich hatten diese Perons wirklich ein U-Boot. Der Gedanke, hier nur sinnlos seine Zeit zu vertun, während sich Aruula mehr und mehr entfernte, war niederschmetternd.
***
Aus den Aufzeichnungen Pia Armstons, 59 Jahre nach der Verdunkelung
Ich habe getan, was ich vermochte. Der Bau der Station ist beendet. Die Schleusen sind gesichert. Wir haben sogar ein funktionierendes U-Boot, mit dem wir unterseeisch auf Fischfang und Schildkrötenjagd gehen können. Dafür
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