2.01 Donnerschlag
einfach noch mal“, sagte er lächelnd, und das wiederholte er auch noch genauso geduldig, nachdem mir beim zweiten und dritten Versuch dasselbe passierte.
„Versuch es noch mal!“, schickte er mich selbst ein viertes Mal hoch, doch als ich die Spitze der Leiter erreichte, hatte er schließlich Mitleid mit mir. Er gab mir die „Kindergarten“-Anweisung: „Und jetzt setz dich hin. Versuch nicht zu stehen. Das reicht völlig aus!“
Ich wurde knallrot. Ich schämte mich schrecklich. Doch ich tat, was er sagte. Ich spürte die Ungeduld der anderen Kerle. Ich sah, wie Leon zu gähnen begann. Der Kerl stand inzwischen auf seiner Bretterzaunspitze, als würde er dort seit Jahren wohnen. Und ich – beim nicht mehr zu verheimlichenden Kopfkissenzipfellutscher! –, ich zitterte selbst noch wie Espenlaub, als ich wie ein Elefantenbaby auf einem zu langen Giraffenhals auf meiner Bohle hockte. Aber ich schaffte es schließlich. Mir wurde zwar schlecht. Ich verstand jetzt alle Variationen von Schwindelgefühl. Doch ich fiel nicht mehr runter. Da gähnte Leon noch einmal gelangweilt.
„Und jetzt?“, fragte er Willi und schaute dabei zu den uns noch immer beobachtenden Wölfen. „Wie werden wir uns jetzt vor unseren Gegnern blamieren?“
„Schließ einfach die Augen.“ Willi blieb ruhig. „Und dann sagt dir Nerv, wohin du deinen Fuß setzen sollst, damit du die ganzen 12 Meter über den Zaun bis zu ihm gehen kannst.“
„Das ist nicht dein Ernst?!“, wehrte sich Leon erschrocken. „Der schafft es noch nicht einmal, auf einer Planke zu sitzen. Wie soll der dann wissen, wie man darauf herumgehen kann?“
„Ganz einfach“, sagte Willi. „Indem du dem Kleinen, ja, dem Kleinen vertraust.“
Ich zuckte zusammen.
„Ja, so kann der Zwerg das vielleicht auch einmal lernen. Der Pimpf!“, sagte Willi, und ich, ich hasste ihn jetzt für das, was er sagte. „Das denkt ihr doch alle über den Dreikäsehoch. Das denkt ihr doch, oder? Dass er ein Nichtskönner ist.“ Er schaute von Leon über die Kerle zu mir. „Und du weißt, dass sie das denken, aber du willst das nicht, oder?“
Ich senkte den Blick beschämt zu Boden, aber Willi war noch nicht fertig mit mir.
„Und trotzdem tust du alles, um ihnen recht zu geben. Oder wie soll ich dein Jammerlappen-Getue hier anders verstehen?“
Mir stockte der Atem. „Warum tust du das, Willi?“, fragte ich leise, und er herrschte mich an. „Ich kann dich nicht hören! Ich versteh keinen Kerl, der ein Kerl sein will und der anstatt mit seinem Trainer mit seinen Füßen spricht!“
Da zog ich mein Herz aus den Socken und durch meinen Schlüpfer zurück in die Brust.
Ich hob meinen Kopf. Mein Kinn war so schwer wie ein riesiger Amboss, und ich erwartete, in das hässliche Maul eines Monsters zu sehen. Doch als ich mich endlich traute und Willi ansah, schaute ich in das Gesicht eines richtigen Freundes. Oh, war das schön! Willis Augen leuchteten wie Christbaumkugeln am Heiligen Abend und sein Lächeln war warm.
„Warum tust du das?“, fragte ich ihn noch einmal, und er sagte leise:
„Weil die sich da irren!“ Er zeigt auf die Kerle, die vor dem Zaun standen. „Und weil ich will, dass du es ihnen beweist.“ Er hob seine Stimme. „Denen da, hörst du, und den Wölfen da oben. Ich will, dass die sich, wenn wir hier fertig sind, vor Angst im Weltuntergang verstecken.“
Ich lächelte jetzt und spähte verlegen zum Hügel hinauf. Ich sah den skeptischen Blick von Klette. Doch sie war auch überrascht und sogar etwas erschrocken. Genauso wie April und die anderen Wölfe. Das sahen auch Marlon und Vanessa ganz deutlich und legten den Arm über die Schulter des anderen.
„Dann fangt endlich an!“, lachte die Nummer 10. „Brüderchen, mach schon. Oder hast du vielleicht Angst?“
Da fluchte der Slalomdribbler. Er blitzte mich an.
„Also, los“, sagte er, „dann spiel jetzt mal Schicksal.“
Er schloss seine Augen und hob einen Fuß.
Ich holte tief Luft.
„Was ist?“, fragte Leon. Er schwankte bedenklich. Er schien schon zu stürzen und ich spuckte den Kloß vor Schreck aus dem Hals. „Rechts!“, rief ich schnell. „Und etwas weiter nach vorn. Und nicht mit der Ferse. Ja, so ist es gut. Spürst du die Stelle? Sie ist glatt und gerade.“ Ich sah Leons Fußballen, der jetzt die einzige und höchstens zwei Finger breite Fläche auf der geborstenen Bohle fand.
„Und jetzt pass gut auf: Sie neigt sich nach links, ähm, ich meine mein Links und das ist
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