2012 – Das Ende aller Zeiten
die Hand leckte mit dieser kompakten Gemütlichkeit in seinem Hundekopf, wie trocken undheiß seine schwammige Nase war, aber nicht mehr so trocken wie zuvor, wie seine Zunge über meine wunden Finger zuckte, während ich dieses versuchte und jenes, wie ich die Bodenplatte mit einer Eisenstange aufbiegen wollte und es nicht schaffte, wie ich schließlich weinend auf dem Rücken lag und wusste, dass ich zu viel Blut verlieren könnte, wenn ich nicht nach Hause ging und mir Pflaster auf die Finger klebte, wie ich den Wüstenhund unter den weichen Ohren streichelte und ihm sagte, dass ich gehen müsse, aber wieder zurückkäme, und du wartest, braver Hund, und wie ich unter dem weißen Licht der Highwaylampen über die leeren Grundstücke nach Hause marschierte, über alle Maßen frustriert von dem Wort »frustriert«, als bisse ich auf den Fels des Universums. Es war einer dieser Momente, in denen man mit einer winzigen Faser Klarheit sieht – wie durch einen kleinen, von einem Finger angeschmolzenen Fleck auf der vereisten Schutzbrille –, wie schrecklich die Existenz wirklich ist, wie die Unschuldigen enttäuscht werden, indem ihre Hoffnungen sich mit ungestümem Tempo in Scheiße verwandeln, und wie all die Qual einfach irgendwie enden muss. Als ich nach Hause kam, konnte ich den Wüstenhund auf der anderen Seite des Highways immer noch schreien hören, und es war weniger ein hündisches Jaulen, sondern mehr ein Schluchzen wie von einem zweijährigen Menschenkind mit Ohrenschmerzen …
»Äh, okay. Gut«, sagte Marena. Wahrscheinlich hatte Lisuarte ihr über das Headset mitgeteilt, dass sie genügend Aktivität aus meinem limbischen System herausgekitzelt hätten. Endlich zeigt Jed Mixoc de Spock mal echtes Gefühl. »Jetzt werden wir mit einigen Stimulationen beginnen.«
Ich sagte gut und schloss die Augen. Es folgten zehn Sekunden Normalität und dann ein grüner Lichtblitz.
»Ich sehe Grün«, sagte ich.
»Gut«, antwortete Marena. Wieder ein paar Sekunden Ruhe, dann hörte ich Regentropfen.
»Ich höre Regen«, sagte ich. Ich bemerkte, dass jemand ein Räucherstäbchen mit Sandelholzaroma entzündet hatte. Dann begriff ich, dass es vermutlich auch nur eine Stimulation war.
»Weihrauch«, sagte ich.
»Richtig«, sagte Marena.
Geräusche, Gerüche und Bilder kamen und vergingen. Ich hörte Violinen in g-Moll, einen Takt aus Prokofjews Klavierkonzert Nummer 2. Ich roch Zimt und brennendes Gummi. Wer spielt da mit meinen Schläfenlappen, dachte ich – und dann plötzlich roch ich etwas Süßliches, Holziges, wie von feuchten alten Büchern. Ich sah Sylvanas Gesicht. Ich spürte Jucken auf meiner Brust und einen Stoß in die Rippen. Ich sah die Gesichter von Menschen, an die ich mich nicht erinnerte, die ich aber gekannt haben musste. Ich sah das Gesicht meiner Mutter. Sie lächelte. Ich sah ein Furcht erregendes Muster in der Holzmaserung an der Kinderzimmertür im Haus der Ødegårds, das meiner Meinung nach ausschaute wie eine teuflische Ziege mit Frackschleife. Ich erinnerte mich an den orangefarbenen Löffelbagger von Tonka, mit dem ich eine Deponie ausgehoben und Stunden und Tage gespielt hatte, an einen meiner ersten Fische, einen Glossolepis incisus , den ich Generoso genannt hatte, und wie er eines Morgens plötzlich ganz stachlig und feindselig wurde und erst die anderen Regenbogenfischmännchen und dann die Weibchen tötete und schließlich starb; ich dachte an Dinge, an die ich nicht nur seit Jahren nicht mehr gedacht hatte, sondern sogar seit dem Moment nicht mehr, in dem sie geschehen waren. Merkwürdigerweise schien alles sich rückwärts abzuspielen und außerhalb der richtigen Reihenfolge, dann später liefen die Dinge wieder vorwärts, als wären sie zuerst defragmentiert, dann zurückgespult, auf neue Positionen auf meiner Festplatte gesetzt und dann endlich abgespielt worden, und ein paar Mal war ich derart draußen, dass ich fast glaubte, ich wäre derjenige, das heißt, derjenige von mir, der sich damals wiederfinden würde, im späten siebzehnten Jahrhundert gefangen, und ich hoffte und betete zu Gottheiten, die sowohl böse als auch nichtexistent waren, dass ich es nicht sein würde – lass es nicht mich sein, der geht, lass mich derjenige sein, der hierbleibt, denn wenn ich der andere wäre, würde ich nicht zurückkommen.
(20)
Vielleicht sollte ich ein bisschen was klarstellen.
Sie wissen ja, sobald Captain Kirk, Pille oder sonst wer gebeamt wird, wird er kopiert und
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