2012 – Das Ende aller Zeiten
über reguläre Fernmeldesatelliten zum Very High Speed Superconducting Supercollider, einem neuen Ringteilchenbeschleuniger mit einem Umfang von 14,065 Kilometern, der, wie ich bei der Vorbesprechung erfahren hatte, in der Nähe von CERN an der französisch-schweizerischen Grenze lag. Die Daten gingen zu einer Gruppe von Festplatten in der Beschleunigeranlage, die zusammen etwa sechshundert Billionen Bit speichern konnten.
Das war allerdings erheblich weniger als die ungefähr eine Trilliarde Bit, die im Laufe besagter sechs Stunden aus meinem Kopf strömen würden.
Somit stießen wir auf das Problem der Datenlagerung.
Auf dem ganzen Planeten gab es nicht genügend Computerspeicher, um sämtliche Daten zu halten. Man hätte dazu über zwanzig Milliarden 500-Gigabyte-Festplatten gebraucht. Teil des Problems war einfach, dass das Muster digital und nicht analog war. Die einzige Speichereinheit mit genügend Platz war ein anderes menschliches Gehirn. Und das Gehirn, für das wir uns interessierten, war schon vor langer Zeit zu Staub zerfallen. Deshalb mussten wir es uns zu einem Zeitpunkt greifen, als es noch funktionierte.
Wie Sie sicher wissen, wurde im letzten Jahrhundert – besonders im vergangenen Jahrzehnt – furchtbar viel über Zeitreisen geschwafelt. Vielleicht liegt es daran, dass die Menschen sich daran gewöhnen, wenn so viele Vorhersagen aus der Science-Fiction wahr werden. Bei all den Supercomputern, dem Weltraumtourismus, den chirurgischen Nanobots, sämtlicher Bücher, Musik und Videos der Welt für die Hosentasche, bei all den künstlichen Lebewesen, Unsichtbarkeitsbeschichtungen wie in Warrens Konferenzraum, bei Kryonik, Teledildonik und im Dunkeln leuchtenden Labradoodles nehmen die Leute an, dass irgendjemand auch dicht davor stehen müsste, das Rätsel derZeit zu knacken. Kein Wunder, dass dabei so viel Schwindel im Spiel ist. Es ist ähnlich wie mit der Alchimie im Mittelalter. Damals hieß es: »Gebt mir tausend Kupfersoldi, und bis zum Sankt-Whitloughs-Tag verwandele ich sie Euch in 999er Gold.« Heute heißt es: »Geben Sie uns noch eine Milliarde, und rechtzeitig zu Ihrem Börsengang steht Kleopatra in Ihrem Büro.«
Leider ist die Zeit tatsächlich eine ziemlich harte Nuss. Oder genauer, die Vergangenheit. In die Zukunft reisen können Sie leicht, auch wenn Sie sich mit der heutigen Kryonik begnügen müssen. Aber wenn Sie in die andere Richtung wollen, laufen Sie gegen zwei große Probleme.
Das eine ist natürlich das altehrwürdige Großvater-Paradoxon. Eine Zeit lang versuchten die Leute sich vornehmlich damit darum zu drücken, indem sie parallele Universen postulierten. Demnach konnten Sie in die Vergangenheit reisen und tun, was Sie wollten – sogar Ihren Großvater töten –, erzeugten dadurch ein Paralleluniversum, und Ihre eigene Zukunft unterschied sich somit von der Zukunft, aus der Sie gekommen waren, und alle konnten zufrieden sein.
Doch dabei treten weitere Probleme auf. Wenn Sie zum Beispiel aus diesen vielen Universen aussuchen können, warum sollten Sie dann nicht einfach in ein Paralleluniversum gehen, wo alles großartig ist – wo Sie, sagen wir, 2004 Google gekauft haben, wo Milchschokolade eine Kilokalorie pro Tafel hat und wo Bill O’Reilly niemals existiert hat? Doch das größte Problem besteht darin, dass das nicht der Fall ist. Das heißt, der besten aktuellen Theorie und den besten experimentellen Daten zufolge gibt es da draußen keine unendliche Anzahl von Universen. Und selbst wenn es sie gäbe, könnten Sie in keines davon reisen. Energie von heute, die aus Schwarzen Löchern in der Vergangenheit ausstrahlt, kommt in unserer Vergangenheit heraus und nicht in einer unendlichen Anzahl von Vergangenheiten. Und selbst wenn unser Universum nicht das einzige wäre, das es gibt, ist die tatsächliche Anzahl der existierenden Universen trotzdem wahrscheinlich eher klein. Was natürlich dennoch nicht bedeutet, dass dieses unser Universum etwas Besonderes wäre. Als wir in einer unserer Sitzungen dieses Thema ansprachen, sagte Marena: »Das ist, als hätte es nureine einzige Folge von Sunset Beat – Die Undercover-Cops gegeben, und sie wäre trotzdem nicht gut gewesen.« Allerdings verstand außer mir keiner, worauf sie sich bezog. Taro formulierte es ein bisschen besser. Er sagte, in den Lehrstühlen für Physik heiße es: »Multiple Universen: in der Theorie billig, aber sie kosten viele Universen.« Damit meint er, wenn man irgendeine Gleichung
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