2012 – Das Ende aller Zeiten
aufgelöst, und dann wird die Information ans Ziel gesendet, und dort wird er aus dort verfügbaren Atomen wieder zusammengesetzt, und da fragt man sich doch, Moment mal, warum macht man sich die Mühe, Captain Kirk hier am Sender sozusagen aufzulösen, wenn es gar nicht notwendig ist? Warum lässt man diesen Schritt nicht aus und baut ihn am Ziel trotzdem zusammen? Dann gäbe es zwei Kirks, und einer von ihnen könnte auf der Brücke bleiben. Wen interessiert Teleportation, wenn man Duplikation bekommt? Warum nicht einen ganzen Haufen Kirks herstellen, sodass jedes Sternenschiff der Föderation einen zum Kommandanten bekommt? Nun, in gewisser Weise könnte man sagen, dass das Kerr-Raum-Projekt sich genau diese Überlegung zunutze machte. Das heißt, während ich auf dem Feldbett lag und diesen Ring aufhatte, desintegrierte er mich nicht und saugte mich auch nicht aus meinem Kopf, er versetzte mich nicht einmal in Schlaf – genauso wenig, wie eine Fotoaufnahme dergleichen hätte bewirken können. Trotz aller Stimulanzien und Psychopharmaka in meinem Kreislauf war ich bei Bewusstsein und konnte sogar relativ klar denken. Ich spürte kein bisschen.
Vielleicht wäre es besser zu sagen, dass das »Ich«, das zufälligerweise hier blieb, derjenige, der noch da war, nachdem das Foto geschossen worden war – dass dieses »Ich« kein bisschen spürte. Aber das Abbild – die Version von Jed DeLanda mit weitaus weniger Glück – wäre wie der hypothetische zweite Kirk; der, der auf der Oberfläche des Planeten endete und sich mit den Romulanern oder sonst wem herumschlagen musste. Dieser mit weniger Glück bedachte Jed wäre im Körper einer sterbenden, von Pusteln übersäten Greisin gefangen. Scheiße. Angeblich ist es ziemlich schmerzhaft, an Pocken zu sterben. Vielleicht hatte man ihr ein bisschen Opium gegeben. Nein, eher nicht. Der andere Jed hat wirklich die Arschkarte gezogen, dachte ich. Tut mir echt leid, Anderer Jed, aber es muss sein.
Natürlich wäre dieser andere Jed im Übergangsstadium nur ein Muster ohne eine Möglichkeit, sich seiner bewusst zu sein. Dieses Muster war nur Code in einem speziellen Protokoll, dem P in BTP , das ursprünglich vom Human Cognome Project entwickelt worden war und in gewisser Weise einem Assembler auf hoher Ebene ähnelte. Da dieser Code digital übermittelt wurde, konnte man sagen, dass er eine Zahl war, eine Zahl mit mehr als einer Billion Stellen, aber trotzdem eine ganze Zahl wie jede andere. Im Laufe von sechs Stunden nahm der EEG/MEG -Scanner einen 3D-Film des Verhaltens meines Gehirns in Aktion auf, Billionen von elektrischen und chemischen Ereignissen, die mehr oder minder durch das Frage-Antwort-Spiel ausgelöst wurden. Neuronen erzeugen Spannungsspitzen mit aussagekräftigen Verhältnissen, und chemische Reaktionen setzen messbare Ausbrüche von Wärme und Infrarot frei. Jedes dieser Mikroereignisse durchlief eine Quellenanalysesoftware und wurde einer bestimmten Stelle im Gehirn zugeordnet. Danach wurde es markiert, nach Ort, Stärke und Zeitpunkt klassifiziert und – in einer der Kisten im Korridor – in ein mathematisches Konstrukt umgewandelt, dass die elektrophysiologischen Signale mit einer Matrix aus biochemischen und metabolischen Informationen überlagerte. Am Ende wurde das Ganze zu einem Datenstrom codiert. Der Code umfasste angeblich alles, was ich für mein Ich hielt, ein Sammelsurium aus Erinnerungen und Ansichten und Verhaltensweisen der Berechnung und Rationalisierung, dazu vielfältige und einander widersprechende Selbstbilder und alles andere, was die Illusion der Eigenpersönlichkeit erzeugt – die, glauben Sie mir, definitiv nicht mehr als eine Illusion ist, und noch dazu nicht immer eine überzeugende. Diese grob zweihundert Billionen Bit an Information, die mein Bewusstsein ausmachten – oder mein Id und Ego, oder nennen wir es einfach mein SOS , mein Sense of Self, mein Selbstgefühl –, das alles floss durch ein paar extrem abgeschirmter 2,4-Gigahertz-Signalverstärker – eines von den Dingern, die wieLautsprecherboxen aussahen – und über parallele fiberoptische Kabel durch den Korridor, eine kleine Hintertreppe hinauf und zu einer kleinen Sendeschüssel auf dem Dach des Refektoriums. Die Schüssel ließ mein SOS von einem Spartacus-Intercellular-Communications-Satelliten – der dank unvorstellbarer Beziehungen zum Pentagon kurzfristig umgewidmet wurde – zu einer Relaisstation in Mexiko-Stadt umleiten. Von dort ging er
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