2012 – Das Ende aller Zeiten
ins Rollen«, sagte Michaels Stimme.
Rollen. Also wirklich. Roll dich doch selber, um Gottes willen. Das Ganze erschien mir ein wenig ausgeklügelter, als es nötig war. Jedenfalls aus meiner Perspektive. Was das anging, war hier nicht einmal der Hauptschauplatz. Wir hätten nicht mal hier zu sein brauchen. Wir hätten den gesamten Transfer auch vom Stake aus vornehmen können, das wäre erheblich einfacher gewesen. Trotzdem, wir hätten dennoch hierherkommen müssen – in dem Augenblick, in dem der Transfer vorüber war, würden wir uns daranmachen, die Gräber auszugraben. Wirklich, wir waren zum Graben hier. Doch wie beim Kaper-die-Nonne-Test lag der Gedanke zugrunde, dass es meine Verwirrung am anderen Ende minimieren würde, wenn ich am gleichen Ort zu mir kam.
Verwirrung, dachte ich. Wollen wir hoffen, dass Verwirrung meine größte Sorge sein wird.
»Wie geht es dir?«, fragte Marena.
»Pen-Pen ist klar«, sagte ich. Und hat solche Angst, dass ihm sein Phlegma abhandengekommen ist.
»Okay, Michael?«, fragte sie.
Don’t do it.
»Okey-dokey«, sagte Michael mit seiner Fernsehstimme in meinem Ohrenstöpsel. »Ohhh- KAY . Im Augenblick haben wir 12.02 Uhr, und wir senden mit Bündelstrahl für drei Stunden und achtzehn Minuten. Alles Personal kümmert sich bitte um die persönlichen Dinge, um die es sich zu kümmern hat.« Cállate el pico , dachte ich. Halt den Schnabel. Haltdenschnabel …
Nein, jetzt mal eine Sekunde ganz ruhig, Jed. Sei nett. Vergiss nicht, er ist sechzig, er arbeitet hart, er schwitzt wahrscheinlich am ganzen Leib …
»Wir zielen auf den 20. März 664 nach Christus«, fuhr Weiner fort. »Gleiche Bat-Zeit, gleiche fledermausbekackte Königsnische, und grob tausenddreihundertsiebenundvierzig Jahre, elf Monate und achtundzwanzig Tage, zweiundzwanzig Stunden und null Minuten zurück in die gute alte Zeit.« Toll, dachte ich, und jetzt HALT DIE VERDAMMTE FRESSE, HALT DEINE VERDAMMTE SCHEISSFRESSE …
»Sind Sie fertig?«, fragte Marena ihn.
»Alles bestens«, sagte Michael. »Halten Sie d…«
»Okay, ich trenne die Verstärkungsregelkanäle«, sagte sie. In meinen Ohrhörern klickte es. Endlich nicht mehr auf Sendung. Gott sei Dank.
»Okay«, sagte Lisuarte. »Wir haben noch ungefähr vier Minuten für Systemchecks, dann beginnen wir mit dem Frage-Antwort-Spiel.«
»Gut«, sagte ich.
Lisuarte kroch zur Tür hinaus, damit sie den Ablauf auf dem großen Monitor verfolgen konnte. Oder vielleicht hatte Marena ihr irgendwie bedeutet, dass wir eine Kleinigkeit laufen hatten. Mädchen tratschen immer.
Marena kniete sich neben mich und küsste mich.
»Hi«, sagte ich.
»Wie geht es dir?«, fragte sie.
»Mir geht’s prima. Ich bin unaufhaltsam.«
»Gottlos.«
»Jawoll.«
»Äh, dir ist klar, dass du auf Parasitenkrankheiten achten musst, ja?«, fragte sie. »Versuche nur abgekochtes Wasser zu trinken, oder wenigstens richtig kaltes Brunnenwasser.«
»Ja, ich weiß.« Hundert Mal waren wir das durchgegangen.
»Sie haben eine Art Tee aus Weidenrinde als Chininquelle. Verstanden? Sie haben Insektenabschreckmittel. Versuch mehr Proteine zu bekommen als die anderen. Du kannst Truthahnknochen essen.«
»Danke, Mom.«
»Ach, und der Kiefernrindentee enthält Vitamin C. Du solltest sehen, dass du viel davon trinkst.«
»Ich will einfach nur hoffen, dass die allgemeine Gesundheit mein größtes Problem ist.«
»Genau.«
»Vielleicht kommen sie zu dem Schluss, dass ich ein brujo bin, und verfüttern mich an die Katzenwelse.«
»Na ja, aber vielleicht erweisen sie sich auch als großartig. Die lebendigen Maya sind schließlich die nettesten Menschen auf diesem Planeten, oder?«
»Ja. Danke.« Sie hat recht, dachte ich, wir sind zu nett; es ist kein Wunder, dass uns seit fünfhundert Jahren jeder übers Ohr haut. Aber wir Mayas sind nun mal so … komm rein, klar, sicher, setz dich, iss ein tamale , vergewaltige ruhig meine Schwester …
»Auf jeden Fall brichst du keinen Streit von Zaun oder so, ja?«
»Ich bin ganz brav.«
»Und fang nichts Grandioses an. Versuch nicht, das System zu reformieren. Probier nicht, den ganzen Kontinent zu erobern oder so was.«
»Na, dazu ist es sehr wahrscheinlich sowieso nicht gekommen«, sagte ich. »Soweit wir wissen, hat während dieser Zeit niemand den Kontinent erobert.«
»Ach ja, richtig«, sagte sie. »Aber ich gebe zu, dass ich das noch immer nicht so richtig kapiert habe. Diese Nabokov-Geschichte.«
»Nowikow.« Sie meinte
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