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2012 – Das Ende aller Zeiten

2012 – Das Ende aller Zeiten

Titel: 2012 – Das Ende aller Zeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian D’Amato
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falls die überhaupt etwas vorhergesagt hatten. Vielleicht hatte er mir da auch einfach Scheiß erzählt. Ha. Jedenfalls hatte er sich gedacht, dass der große Knall schon vor Fälligkeit käme – und vielleicht dachte die Bevölkerung, dass es sowieso keine große Sache werden würde; vielleicht glaubten sie, es würde nur am Horizont ein bisschen knallen und Funken sprühen. Darum legte 2 JS die Hirschjagd so, dass sie genau bis dahin dauerte. Das wäre also am 27. um vier Uhr nachmittags gewesen. Vielleicht waren die Geblüte in der Jagdgesellschaft ausgeflippt, als es passierte. Nur die Harpyien hatten davon gewusst und inmitten der allgemeinen Verwirrung einen Ersatzmann geliefert, der an meiner Stelle gehäutet wurde. Und darum hatten sie den Streifen Haut von meiner Brust gebraucht, das Hüftballspielertattoo … das konnten sie schließlich nicht vortäuschen … das mussten sie ihm auf die Brust genäht und die Naht kaschiert haben.
    Ja, das war nachvollziehbar. Darum schätze ich, dass der Harpyienjunge – der mit dem glatten hübschen Gesicht, Hun Xoc – mich absichtlich verfehlt hatte, als er den Speer aus vier Schritt Entfernung nach mir warf. Und deshalb waren die Harpyien mir immer so dicht auf den Fersen gewesen, ohne mich festzusetzen. Sie waren mir während der ganzen Jagd gefolgt, um auf mich aufzupassen … aber was, wenn einer von den anderen Sippen mich geschnappt hätte? Vielleicht hatten sie für den Fall irgendeinen Plan in der Tasche, wie sie mich später austauschen konnten … aber wahrscheinlich nicht. Wenn das passiert wäre, hätten sie mich vermutlich aufgegeben.
    Scheißkerle. Na ja, letztlich war es ja anders gekommen.
    Ich hatte also richtig gelegen, oder? Ich hatte den Vulkanausbruch wesentlich genauer vorhergesagt als ihre eigenen Leute. Hieß das, dass ich jetzt irgendeinen Status erlangt hatte?
    Auf der Straße war viel los. Vor und hinter uns bewegten sich lange Fußgänger-Karawanen mit kläffenden Hunden. Boten eilten an uns vorbei und rasselten zur Warnung mit ihren Maracas. Nach Schakals Wahrnehmung hatte der Klang etwas Grimmiges, als ob sie alle dringend nach Hause wollten. Fast wie auf der Flucht. Die Blatthühnchen und Mauersegler zwitscherten wieder, ein bisschen schwach, vielleicht verwirrt durch die Eruption, doch Schakals Verstand konnte immerhin heraushören, dass es auf die Dämmerung zuging. Inzwischen war das Gehen mühseliger. Ein paar Mal wurde mein Bündel vom einen zum anderen weitergereicht, als schleppten sie ein Kanu. Irgendwann trugen sie mich aufrecht an ein Brett gebunden durch viel Schatten und wenig Sonne. Hier schien es einsamer zu sein, und die Träger sangen eine Art Rosenkranzlied, bei dem sie die bescheidenen Namen ihrer Ahnen aufzählten. Doch es war kein sorgloses kleines Liedchen, das man bei der Arbeit singt. Es hatte etwas Beklemmendes, wie ein Zauberspruch gegen Kobolde. Immer wieder drückten sie mich und horchten auf meinen Atem, um sich zu vergewissern, dass ich noch lebte. Ab und zu wurde Halt gemacht, und einer der Pfleger nahm mir das Mulltuch vom Kopf, zwängte meinen Mund auf und nahm den Baumwollpfropfen heraus. Und bevor ich auch nur grunzen konnte, spuckte er irgendein K.o.-Zeug hinein, das sie mir ständig gaben – es schmeckte wie starker B’alche’, aber die Wirkung war wie bei Dilaudid –, und wischte mir die Nase aus, steckte mir den Pfropfen wieder in den Mund und wickelte das Mulltuch herum. Irgendwann musste das Bündel für das Terrain zu sperrig geworden sein – oder wir waren an einer genügend einsamen Stelle angelangt –, denn sie setzten mich ab, wickelten mich an der frischen Luft aus und nahmen mir die Augenbinde ab. Ich keuchte zum Himmel hinauf.
    Es herrschte ein blaues Zwielicht. Am Himmel standen keine Wolken, und außer einem ängstlichen Beiklang im Vogelgezwitscher waren keine offenkundigen Folgen der Eruption draußen im Golf zu hören oder zu sehen. Hun Xoc blickte auf mich nieder, und ehe ichreagieren konnte, zogen zwei Arme mich hoch und stützten mich, bis ich das Gleichgewicht gefunden hatte. Keiner sagte etwas. Und mir selbst war nicht so, als ob ich etwas sagen könnte. Ich keuchte nur. Auf der Wunde an meiner Brust klebte ein dickes Stück graue Baumwolle. Jemand, vielleicht ein Unberührbarer, spuckte mir Honigwasser in den Mund, und ich schaffte es, ein paar Tropfen zu schlucken. Ich sah mich mit großen Augen um. Wir waren an der Südseite eines Bergkamms, auf der schmalen

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