2012 – Das Ende aller Zeiten
Das Geräusch war zu laut, und es klang falsch; am falschesten dabei war, dass die Vögel nicht riefen. Die Sterne verloschen fast alle auf einmal. Der unsichtbare Himmel brodelte und knatterte, aber bei all dem bestand die einzige Lautäußerung im unwillkürlichen Ultraschallruf der Fledermäuse.
Plopp.
Druck auf dem Trommelfell …
rrrr RRRRZZ glglglglgl DDDDDDD DDDDDDDDDDD !!!
Die unterirdische Bestie knurrte zu mir herauf, und diese magenumstülpende Fahrstuhlabsturz-Flugzeugwegsack-Leitersprossenloch-Panik erfüllte meine ganze Existenz, als der Boden sich verflüssigte. Ich hielt mich am Gras fest, als hätte ich dann, wenn die Welt auseinanderbrach, einen Brocken Asteroid, an dem ich mich im All festhalten könnte. An einem bestimmten Punkt merkte ich, dass die Stöße abgeklungen waren und die Silhouette eines Jägers über mir stand, eine Keule in der linken Hand, und mich betrachtete.
Es ist passiert , dachte ich. Das war der Vulkan San Martín.
Mann, sie hatten recht gehabt. Taro, Marena und Team Connecticut Yankee, sogar Michael Weiner – ausnahmsweise hatten sie gewusst, was sie taten. In Guatemala war ich in der Nähe kleiner Eruptionen gewesen, und ich hatte ein wirklich gefährliches Erdbeben überlebt, das von San Pablo Villa im Februar 2008. Doch was hier geschah, spielte in einer ganz anderen Liga. Selbst die weiche Erde unter mir vibrierte wie das Fell einer Schnarrtrommel. Der Vulkan war mehr als sechshundert Kilometer entfernt, doch es hörte sich an, als wäre er hinter dem nächsten Hügel. Tja, Eruptionen sind wie …
Ah.
(34)
Ungefähr fünfundzwanzig Sekunden lang glaubte ich zum ersten und einzigen Mal an ein Leben nach dem Tod.
Ich wollte schreien, bekam aber keine Luft, weil mich das dicke stumpfe Ende des Knüppels in den Magen traf. Ich versuchte, die Beine des Geblüts zu packen, doch jetzt kam ein zweiter von hinten und hielt meine Arme fest. Ich versuchte zu treten, doch der mit dem Knüppel saß auf meinen Beinen. Ich spuckte. Er reagierte nicht. Ich wand mich. Es nützte nichts. Panik. Sie häuten mich trotzdem, es ändert gar nichts, die Eruption zählt nicht. Sie ist ihnen egal, sie zählt nicht, sie werden mich häuten, ogottogott. Der Jäger – es war der Harpyienjunge, Hun Xoc – stellte seinen Knüppel ab und drückte meine Stirn ins Gras. Komisch, dass ich nichts spürte. Das kann es nicht gewesen sein, da muss noch was kommen bitte lass mir noch ein bisschen Zeit bitte das kann doch nicht alles gewesen sein. Er stemmte mir den Mund auf und fasste meinen Unterkiefer mit dem Daumen hinter den Schneidezähnen und unter der Zunge. Ich fühlte noch immer nichts. Er riss ihn nach rechts und links, zuerst aus dem einen Gelenk, dann aus dem anderen. Es spritzte Blut und Speichel. Die Zunge kam mit dem Rest heraus und hing komisch im Freien. Das ist unheimlich, dachte ich, das müsste doch ziemlich qualvoll sein. Ich musste über den Schmerz hinaus sein … aber ich hatte auch das Gefühl, als würde ich mich von außen betrachten, als läge ich neben mir. Vier Geblüte standen um mich herum, alle aus dem Harpyien-Haus. Einer, der Stämmige mit dem breiten Gesicht, hielt eine Fackel winzig wie eine Geburtstagskerze und schirmte das Licht mit der Hand ab. Ein anderer schnitt mir die Arme an der Unterseite auf, renkte die Handgelenke vorsichtig aus, um die Haut nicht einzureißen, damit die vollständigen Hände an der abgetrennten Haut blieben. Das war der hoffnungsvollste Augenblick,den ich je erlebt hatte und wahrscheinlich je erleben würde. Ich dachte, ich wäre mein eben aufgestiegener Astralleib und würde mir ein bisschen Zeit lassen, um die Behandlung meiner Hülle zu beobachten, ehe ich mich ins Unbekannte aufmachte.
Bald wurde mir klar, dass das zu albern war, um es zu glauben. Zum einen litt ich fürchterliche Schmerzen. Ich spürte meine Wunden, das Gewicht der zwei Geblüte, die mich festhielten, und sogar die Ameise oder was da auf einem der Distelhalme krabbelte, die mir in den Rücken stachen. Zum anderen aber war der Körper, den sie seiner Haut entkleideten, obwohl er einen beschnittenen Schwanz hatte wie ich und ein Gesicht oder was davon noch übrig war, nicht ganz derselbe wie meiner. Sein Unterarm war von Hüftballtreffern gehärtet, aber nicht so sehr wie meiner, und die Schwielen an den Knien waren nicht annähernd so dick und beeindruckend. Außerdem schien es nicht ganz zu stimmen, wie ich die Szene beobachtete. Ich schwebte nicht in
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