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2012 – Das Ende aller Zeiten

2012 – Das Ende aller Zeiten

Titel: 2012 – Das Ende aller Zeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian D’Amato
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Raum mit diffusem, trübem Tageslicht. Dort waren Regale in die Wände gehauen und mit schlichten Krügen vollgestellt, über denen reihenweise kleine Tonahnen saßen, die abstoßend und eigens zu diesem Zweck gemacht aussahen. Ein Fach enthielt quasi pornografische Holzstatuen von scheußlichen alten Männern, die junge Frauen begrabschten. Eine war kitschiger als die andere. Also gibt es hier auch Leute mit miesem Geschmack, dachte ich. Nicht alles aus der Vergangenheit ist klasse. Man glaubt das gerne, weil hauptsächlich das gute Zeug aufbewahrt wird; nur wenn alles auf einmal konserviert wird, wie in Pompeji, kann man sehen, dass das meiste Plunder gewesen ist. Und Pompeji war eine kitschige Stadt – das Coconut Grove der Antike.
    Hoppla. Sie drückten meinen Kopf runter und zogen mich durch einen Hirschfellvorhang, den ich gar nicht gesehen hatte. Dann lenkten sie mich dreißig Schritte über eine fackelbeschienene Rampe zu einem weiteren Vorhang, der diesmal mit Muschelperlen besetzt war. Davor saß ein Harpyien-Geblüt fortgeschrittenen Alters. Er tauschte mit dem Hauptmann der Träger einen Gebärdengruß, der für michkeinen Sinn ergab. Das alte Geblüt stand auf, hob den Vorhang und drückte sich gegen die Wand, um uns durchzulassen. Es roch nach Nelkenpfeffer. Hun Xoc und ich duckten uns in einen dritten Raum von der Größe eines Kühlschranks und dann durch eine weitere niedrige Tür in einen kugelförmigen Raum von der Größe einer Garage. Er hatte kein Tageslicht, doch an der hinteren Wand brannten zwei Binsenlichter – in Talg getauchtes Schilf –, und anstatt dass der Rauch durch den Raum zog, schoss er praktisch in einen Spalt in der Wand, aus dem ständig kühle Luft hereinströmte. Allein von der Luft her wusste man, das diese Kammer das war, was Höhlenforscher einen trockenen Raum nennen, der vor Regen geschützt ist, oberhalb aller fließenden Gewässer liegt und keine porösen Wände aufweist, sodass sie nicht modern. Die hintere Wand bestand aus behauenen Felsblöcken, die Seitenwände aus dem ursprünglichen, nur grob bearbeiteten Fels. Zu unserer Rechten waren zwei graue Tropfsteinstalagmiten einigermaßen unbeschädigt gelassen. Aus dem größeren Stalagmit hatte man eine altmodische Halbplastik gemacht, die einen Harpyien-Herrscher darstellte. Sein Aufstellungsdatum war noch lesbar: 9 Ahau, 3 Sip, am ersten Tag des achten B’ak’tun – am 7. September 41 n. Chr., 244 Tage nach der Ermordung Caligulas. Zu seinen Füßen standen alte, zugedeckte Opferkrüge, die meisten zerbrochen. Der Rest der Bibliothek – oder vielleicht sollte ich Aktenraum oder Geniza sagen – war angefüllt mit ordentlichen gestapelten, brotkastengroßen Truhen. Vier standen offen, und in einer sah ich, halb unter Steinsalz verborgen, ein Leporellobuch liegen.
    Einschließlich Hun Xoc und mir befanden sich acht Leute in dem Raum. 2-Juwelenbesetzter-Schädel saß auf einem Kissen an der entfernten Wand, die Beine in eine baumwollene Steppdecke eingeschlagen. Zu seiner Rechten hockte ein großer Wächter und starrte auf den Boden. Er versteifte sich, als wir hereinkamen, blickte aber nicht auf. Er war einen Kopf größer und doppelt so schwer wie alle anderen und älter als die übrigen Wächter, die ich gesehen hatte, was vielleicht bedeutete, dass er vertrauenswürdig war. Er trug leicht wattierte Polster an Schultern und Hüften, und nach den Tätowierungen an seinen Waden hatte er 1-Harpyie während seiner militärischen Laufbahn achtGefangene geopfert. Zwei Personen hockten zwischen mir und dem Wächter, desgleichen auf der linken Seite des Raumes. Einer war ein dünner alter Mann mit einer dunklen Manta über den Schultern und einem Hut mit Schleier, ähnlich einem Tropenhelm mit Moskitonetz. Ich konnte nicht viel von ihm sehen, aber er kam mir bekannt vor. Seine Unterarme waren ungewöhnlich, nur konnte ich nicht sagen, weshalb. Mir am nächsten saß derselbe als Affe verkleidete Schreiber, den ich schon in dem rot gefiederten Raum gesehen hatte. Er hatte einen langen dünnen Pinsel an den Zeigefinger gebunden, fuhr mit seiner Tätigkeit fort, ohne uns zu beachten, und schrieb in flinken, nachlässigen Kolumnen aus Punkten und Strichen Rechnungen auf Palmblattbögen ab. Eigentlich klingt »Schreiber« ein bisschen zu klösterlich für ihn. Es wäre zutreffender, ihn als Kombination aus Stenograph und Buchhalter zu bezeichnen. Oder vielleicht sollten wir seinen Titel einfach wörtlich übersetzen:

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