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2012 – Das Ende aller Zeiten

2012 – Das Ende aller Zeiten

Titel: 2012 – Das Ende aller Zeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian D’Amato
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der Wartenden Frau, den Rauchern des Spiels.«
    Schweigen.
    Der Schleier wippte. Ich deutete die Bewegung dahingehend, dass der Kopf darunter sich zu 2 JS drehte. Ich sah 2 JS an. Er sah mich an. Wieder der Schock des Blickkontakts, aber ehe ich diesmal wieder die Augen niederschlug, glaubte ich hinter den vergilbten Linsen ein belustigtes Wissen um das Mögliche und Unmögliche zu erkennen.
    »Mein Addierer unter mir, 7-Zacke,
    Liest nur für seine Oberhäupter«, sagte 2 JS .
    »Doch er kann ein Knochenzählerduell
    Gegen dich spielen.«
    Mist. Duell. Großartig. 7-Zacke, wie? Charmant. Ich fragte mich, ob sie mich umbringen würden, wenn ich verlor. Wahrscheinlich.
    Plötzlich fuhr der Wächter lautlos zu uns herum, bereit anzugreifen und mich zu erwürgen. 2 JS musste ihm einen Wink gegeben haben. Er machte dem Wächter Zeichen, die Schakal nicht kannte. Ich begriff, dass der Wächter taub war. Vielleicht war seine Taubheit Absicht. Und weggeschaut hatte er, damit er uns nichts von den Lippen ablesen konnte. Ich dachte, 2 JS befahl ihm vielleicht gerade, mich wegzubringen und den Gürteltieren vorzuwerfen oder welchem Viehzeugauch immer. Stattdessen kroch der Wächter zur Rückseite des Raumes und kletterte, begleitet von symphonischem Knistern und Knacken, auf einen Stapel Körbe. Ich sah 2 JS wieder an und dann 7-Zacke. Der hatte den Schleier zurückgeschlagen und den Hut abgesetzt. Er war älter als 2 JS , und sein langer Pferdeschwanz war von grauen Strähnen durchzogen. Er hätte ein Allerweltsgesicht gehabt, wäre der Bart nicht gewesen, der nicht üppig war und nur zehn Zentimeter lang, aber respektabel und in eine zylindrische Form gebracht wie bei den Pharaonen. Ich kam nicht umhin, ihn anzustarren. Sein Körper war dünn und alt und abgesehen von vier pennygroßen blauen Punkten an der linken Schulter ohne Tätowierungen. Doch er war behaart. Seine Augen blickten trübe und freundlich. Er fasste mit der rechten Hand an den linken Ellbogen, was so viel war wie ein Händeschütteln oder Zunicken oder was sonst in solchen Sitzrunden üblich war. Ich erwiderte die Geste, nur dass ich den Arm knapp oberhalb des Ellbogens berührte, weil er älter war als ich. Tach, Kollege, dachte ich. Ein Hallo zwischen Addierern. Gemeinschaft der Spieler. Kein Problem.
    Ohne sich zu erheben, drehte 7-Zacke sich zu mir herum. Ich wandte mich ihm zu, sodass wir uns gegenübersaßen. Er brachte einen Tabaksbeutel zum Vorschein, streute ein paar Blätter hin und stopfte sich die Hälfte in den Mund. Ich nahm den Rest. Wir kauten. Mann, das Zeug ist stark, dachte ich. Er stellte eine Schüssel Sand zwischen uns. Ich rieb mir etwas von dem Tabaksaft auf den Oberschenkel – Schakal hatte da keinen Fleck, stellte ich fest – und spuckte den Rest in die Sandschüssel. Kurz darauf tat der Addierer es mir gleich und schob die Schüssel beiseite. Inzwischen war der Wächter mit einer nicht ganz zwei Arme langen, dicken Teppichrolle zurückgekommen. Er legte sie zwischen uns und rollte sie aus. In dem kleinen düsteren Raum hatte das eine Wirkung, als wäre der riesige Weihnachtsbaum vor dem Rockefeller Center in voller Beleuchtung vor uns materialisiert.
    Es war ein aus Federn gewebtes Spielbrett. Die Zeitquadranten leuchteten karmesinrot und bernsteingelb, und der schwarze Quadrant war so glänzend, dass man das Gefühl hatte, man könnte hineinfallen. Es war eine dieser Wahnsinnsraffinessen, bei denen man nicht glauben kann, dass sie von Menschenhand gemacht sind, wie beispielsweiseGobelins oder Seidenbrokat aus Rajshahi oder das kristallperlenbesetzte Haarnetz von Romeo Gigli, das Kristen McMenamy auf der italienischen Vogue von Oktober 1993 getragen hat. Das Spielbrett war nicht quadratisch, sondern achteckig, und anstelle der runden Mulden wie auf den Brettern, die wir nach Taros Entwurf angefertigt hatten, lag hier an jedem der 260 Punkte ein Büschel smaragdgrüner Quetzalhalsfedern. Trotzdem war ich enttäuscht. Ich hatte gehofft, etwas Neues zu entdecken, das mir auf die Fragen, die ich mitgebracht hatte, Antwort gäbe … doch das Brett war Taros Entwurf, der auf dem Bild im Codex basierte, ziemlich ähnlich, von seiner Pracht einmal abgesehen.
    Mist.
    2 JS rutschte von seinem Kissen, kam auf Knien zu uns herüber und drehte die Matte um ein paar Grad gegen den Uhrzeigersinn, sodass die Richtung der Farben stimmte. Dadurch ergab sich – vielleicht absichtlich –, dass 7-Zacke im Südosten kauerte, der Himmelsrichtung

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