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2012 – Das Ende aller Zeiten

2012 – Das Ende aller Zeiten

Titel: 2012 – Das Ende aller Zeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian D’Amato
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hatten. Es war die Asche des San Martín. Im zweiten Dreizehntel des Tages tauchte Pa’Chan, »Gebrochener Himmel«, das heutige Yaxchilán, an unserer weiblichen Seite auf. Die Stadt bedeckte einen Steilfelsen in der Mitte eines Altwassers, sodass sie wie Konstantinopel auf drei Seiten von Wasser umgeben und auf der vierten befestigt war. Palastfassaden bildeten die Uferfront, um den Reichtum der Sippen zu bezeugen, und fünf breite Pilgertreppen führten im Zickzack den Berg hinauf zu einer Akropolis aus fünf mulob’ . Es war eine perfekte Lage: Fremde konnten dicht vorbeifahren und bekamen vom Altwasser aus die volle Besichtigungstour, konnten von dort aber kaum angreifen. Das Wasser strömte zu schnell, als dass man anlanden konnte, selbst wenn es gute Anlegestellen gegeben hätte, und sollte es doch jemand versuchen, konnten oberhalb und unterhalb der Angreifer Netze über den Fluss geworfen werden, um sie einzuschließen.
    Wir nahmen die letzte Kurve des Hügels und trieben unter die halach be , die große Hängebrücke, zwei gewaltige quadratische Piers von zwölf Metern Seitenlänge und zwanzig Metern Höhe mit einem zweihundert Meter langen Damm und einer 60-Meter-Spanne in der Mitte. Zurzeit, im Jahre 664, war es die längste Hängebrücke der Welt; in Europa entstand ein so langer Flussübergang erst, als 1377 in Prag die Karlsbrücke vollendet wurde.
    Kurz vor der Brücke waren längs des gepflasterten Ufers etwa vierzig nackte Gefangene in einer Reihe an Pfählen aufgehängt wie gelbe Vogelscheuchen. Oder vielmehr nur ihre ausgestopften Häute, wie ich beim Näherkommen sah. Das heißt, die Haut mitsamt Händen und Füßen, aber die Köpfe waren nicht echt, vielleicht aus Flaschenkürbissen gemacht, und gelb von der Kautschukmilch, mit der siehaltbar gemacht wurden. Ihre Glieder wirkten plump und unausgeformt wie Würste. Ich überlegte mir, dass sie mit Maisfäden gestopft sein könnten. Hun Xoc sagte, vier von ihnen seien Vampirfledermaus-Geblüte aus Ix, die vor sechs Jahren bei einem stümperhaften Raubzug geschnappt worden seien. Während er sprach, legte unser Führungsboot am Ufer an, und einer von 12-Kaimans Männern sprang hinaus. Er watete an Land, kletterte drei Stufen Pfahlwerk hinauf, rannte über den Platz zu den Vampir-Typen, fügte eines unserer Bündel dem Hügel von Opfergaben zu ihren Füßen hinzu und sprang in unser letztes Kanu – gerade als es schien, als müssten wir ihn zurücklassen. Die anderen Geblüte stießen einen Pfiff aus, was ihre Art von Jubel war. Angeber.
    Als wir in den Schatten der Brücke fuhren, war es, als ob es schneite. Ich sah nach oben. Der Brückenkörper fünfzehn Meter über uns war drei Meter breit und wurde von doppelten Tauen gestützt, die nach fünfzehn Zentimetern Durchmesser aussahen. Da oben standen Leute und sahen den Hunderten Booten nach, eine Reihe Männer und, was ungewöhnlich war, eine Traube unverheirateter Frauen der Hohen Häuser. Eine der Frauen schüttete das weiße Zeug aus einem Korb in einem langen Bogen über dem Flussverkehr aus. Hun Xoc beugte sich gefährlich weit über das Dollbord, fing eine der Flocken und aß sie als Glücksbringer. Es war Popcorn.
    Auf unserer männlichen Seite wurden die Bauten größer und vornehmer, bis mir irgendwann klar wurde, dass wir Yaxchiláns größte Rivalin vor uns hatten, Yokib’. Man nannte es auch »Prinzessin der Juwelenstädte«, und viel später einmal würde es Piedras Negras heißen. Yokib’ bedeutete »Eingang« oder »Schwelle«, und da sollte es eine Höhle geben, die geradewegs zum großen Hüftballspielplatz der Unterwelt Xib’alb’a führte. Während Yaxchilán gelborange und Ix türkis war, war Yokib’ intensiv gelb und schwarz gebändert, sodass die Stadt im diffusen aschgrauen Licht erstrahlte, ein geometrisiertes Tal schillernder Moirémuster, wie von Bridget Riley gemalt. Die Hauptpyramide war rein gelb, eine steile, aus dem Geflimmer hervorstoßende Flosse, auf der Arbeiter wie Papierwespen, die ihre Waben erneuern, umherkrabbelten und den Stuck polierten. Angeblich war die jüngsteHülle der Pyramide vor einem K’atun gebaut worden, nachdem die Stadt zwei rivalisierende Kleinstädte dem Erdboden gleichgemacht und Tausende Gefangene weggeführt hatte; als Baumaterial habe der Kalk gedient, der aus ihren gemahlenen Knochen hergestellt worden sei; es war ähnlich wie beim Palast aus Lehm und Blut in Dahomey. Am Flusstor zählte ich vierundfünfzig ausgestellte

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