2012 – Das Ende aller Zeiten

Kanu wirklich außergewöhnlich, aber das gilt für ein Zweimannkanu; die größeren, längeren fahren schneller. Wenn wir am Ufer also immer frische Ruderer fänden, konnten wir auch auf dem Meer täglich fast achtzig Kilometer zurücklegen. Um noch ein bisschen Spielraum zu haben, sagen wir einmal, wir hätten zweieinhalbtausend Kilometer vor uns, dann wäre unser Zeitplan vielleicht doch nicht so unmöglich einzuhalten. Vorausgesetzt, wir bekamen kein schlechtes Wetter und wurden nicht aufgehalten. Trotzdem klang es alles ein wenig knapp. Doch diese Burschen tun so etwas die ganze Zeit, sagte ich mir. Stimmt doch? Und wie auch immer, 2 JS hätte keinen Grund, mir in so einer Sache irgendwelchen Mist zu erzählen. Vielleicht hatten wir doch eine Chance.
    Bei einer Stadt mit Namen »Wo 3-Schildkröte gekocht wurde« – später Ruinas Aguas Calientes – kamen wir an unserer ersten feindlichen Karawane vorbei. Die Stadt war ein Überangebot vielstufiger Bauten an beiden Ufern mit zwei Seilbrücken über uns und der eigenartigen mul der Herrschersippe zu unserer Linken, die mit halbhohen Holzpuppen übersät war. Ich schätze, das waren Opfergaben für ein besonderes Fest, und sie waren alle kunstvoll geschnitzt und bekleidet und schreiend bunt bemalt, sodass der Bau einen fast tamilischen Eindruck visueller Überfrachtung bot.
    Eine Kette großer prunkvoller Kanus lag unterhalb der mul an einem Anlegeplatz mit Ufertreppe träge auf dem Wasser. Hun Xoc sagte, das Gelb und Grün ihrer Wimpel bedeute, dass sie Neffen von K’ak Ujol K’inich seien, des Ahaus des Jaguar-Hauses von Oxhuitza, Caracol, der seit über vier K’atunob mit den fünf Hohen Häusern von Ix eine permanente Vendetta führe.
    Von den vorderen Booten kam der Befehl, unsere Paddler sollten ihr Tempo beibehalten und jeder möge so tun, als sähe er die Oxhuitzob’ nicht, es sei denn, sie grüßten uns zuerst.
    Bisher hatten wir mit jedem, an dem wir vorbeigekommen waren, Grüße gewechselt. Unsere Bootsführer riefen Leute an, die sie kannten, manchmal überschwänglich und manchmal nur, indem sie die rechteSchulter ein wenig hoben, was einem Zunicken entsprach. Offenbar war unsere Handelsgemeinschaft eine regelmäßige Erscheinung, nur ein bisschen außerhalb der Saison und in ungewöhnlicher Eile.
    Doch die Boote der Jaguare gaben uns Zeichen, und wir bremsten ab und näherten uns ihnen, als hätten wir schon die ganze Zeit vorgehabt, sie zu begrüßen. Im Seichten drehten unsere Bootsführer ihre extralangen Paddel um und benutzten sie als Staken. Ich merkte, wie sich die Geblüte in unseren Kanus versteiften, und Hun Xocs Hand glitt einen Zentimeter auf die Rolle der Blasrohre und Keulen zu, die er unter dem Dollbord angebunden hatte. Das hat nichts zu sagen, dachte ich. Die hatten Friedensduft draußen und wir auch. Das heißt, jedes Boot hatte ein Tier als Galionsfigur am Bug, einen kleinen Gott, der an den kurzen Bugspriet gebunden war und dem Rauchfäden aus den Nüstern strömten. Man verbrannte Akaziengummi und pulverisierten Tabak, um jedem mitzuteilen, dass man ohne gewalttätige Absichten komme. Als wir uns näherten, konnte ich im letzten Boot den Anführer erkennen. Er trug einen hohen Katzenkopfputz, sein Körper war geschwärzt, das Gesicht weiß bemalt, und er musterte uns mit dunklen Augen. Ich und die fünf Geblüte, die mich kopierten, trugen breite Kegelstrohhüte wie vietnamesische Non Las, und ich versuchte, den Kopf zu senken, ohne mich in der Körperhaltung abzuheben. Schakal hatte gegen die Agouti-Hüftballmannschaft aus Oxhuitza gespielt und gesiegt. Einige dieser Katzen mussten das Spiel gesehen haben.
    Wird schon gutgehen, dachte ich. Keiner wird dich erkennen, wenn du nicht als Hüftballspieler auftrittst. Wie die meisten Spieler hatte Schakal während des Spiels und bei der Preisverleihung einen Tierhelm getragen, der mehr als die Hälfte des Gesichts verdeckte. Selbst die besten Figurinen von ihm hatten nur vage Ähnlichkeit. Und mit den Haarverlängerungen, den fehlenden Schwielen, den neuen Tätowierungen und Körpermodellagen und angesichts der Tatsache, dass ich viel Gewicht verloren hatte, käme wohl niemand auf den Gedanken, ich könnte je Hüftballspieler gewesen sein. Kein Außenstehender, so hofften wir, würde mich mit Schakal in Verbindung bringen. 2 JS ’ Idee war, dass ich mich krank und vielleicht ein bisschen zurückgebliebenstellen sollte, damit die Leute nicht allzu viel mit mir redeten. Und