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2012 – Das Ende aller Zeiten

2012 – Das Ende aller Zeiten

Titel: 2012 – Das Ende aller Zeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian D’Amato
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Köpfe. Das war eine große Anzahl, aber sie sahen so frisch aus, dass ich glaubte, sie seien aus Holz geschnitzt. Doch als wir vorbeifuhren, sah ich, dass auf den unteren Gestellen ältere Köpfe verrunzelten. Also waren sie doch echt, aber man hatte sie gereinigt, eingesalzen, über Tonformen gezogen, eingeölt und kosmetisch behandelt und deckte sie bei Regen wahrscheinlich ab. Ihren Namen und den Tag ihrer Gefangennahme hatte man ihnen auf die Stirn tätowiert, wahrscheinlich während sie noch lebten, und ihre zugenähten Lippen waren irgendwie aufgebläht worden, damit sie lebensechter wirkten. Ihre Augen hatte man durch einfache weiße Steine ersetzt, sodass sie einen blind anstarrten. Gehirn und Zunge und so weiter waren sicher entfernt worden, damit sie nicht verwesten. Wenigstens hatte man sie nicht, wie es zum Beispiel auf dem Temple Bar bis 1746 üblich war, zum Madenzüchten verwendet.
    Außerhalb der Trageplätze hielten wir nirgends an, nicht einmal, um Wasser aufzunehmen. Händler kamen mit ihren Kanus längsseits, und wir kauften während der Fahrt ein. Unsere Unratsammler gossen den Urin über Bord und verfütterten die Exkremente an die Hunde. Sie schienen ihnen zu schmecken. Vielleicht war das eine besondere Sorte mit angeborenem Tick. Später dann würden die Sammler den Hundekot in Elefantenohrblätter einschlagen und den örtlichen Unratsammlern überlassen, die von Fliegenschwärmen umgeben in Booten längsseits kamen. Unsere Läufer rannten die Treidelpfade entlang und sorgten dafür, dass an den nächsten Stromschnellen eine volle Mannschaft wartete. Im 21. Jahrhundert jammern die Leute ständig: »Ach, man hat überhaupt keine Ruhe mehr, die moderne Zeit ist so schnelllebig, ganz anders als früher, als es noch keine Mobiltelefone und Fernseher und was sonst noch alles gab«, aber was die Vergangenheit angeht, bin ich immer wieder darauf gestoßen, dass die Leute damals auch nicht mehr Muße hatten als heute. Jedenfalls nicht, wennman zur paranoiden Elite gehörte und sich beeilen musste, seine Ziele zu erreichen, ehe jemand einen abmurkste. Und Stichtage blieben Stichtage. Wie ich bestimmt schon irgendwann erwähnt habe, sollte es an dem Tag, den wir den 1. Mai nennen, eine Sonnenfinsternis geben. 2 JS hatte gesagt, dass Teotihuacán vermutlich fünf Tage vorher die Tore schließen würde, an 6 Tod, 14 Hirsch, also in nur zweiundzwanzig Tagen. An dem Tag würde die gesamte Bevölkerung mit einem »Schweigen« beginnen, und niemand könnte das Tal verlassen oder betreten, ehe die Sonne wieder schien. Wo wir gerade davon sprechen – trotz der verbreiteten gegenteiligen Ansicht wusste nicht nur die Elite, wann Sonnenfinsternisse waren. So etwas sprach sich herum, und wenn der Tag kam, war jeder einschließlich des Großen Muttervaters vorbereitet. Die Stadt würde überfüllt sein. Obwohl es sich anhörte, als wäre es eher eine Mahnwache oder eine Totenwache als ein Festival.
    Worauf ich hinauswill: Als 2 JS sagte, wir würden Teotihuacán in zwanzig Tagen erreichen, hatte ich das für Wunschdenken gehalten. Schließlich war die Stadt tausend Kilometer weit weg. Vogelfluglinie. Mit dem Auto wäre es ungefähr doppelt so viel, und das auf modernen Überlandstraßen. Aber hier und jetzt hatten wir keine Autos, ja nicht einmal Räder. Und das nächste Pferd stand in Irland. Mir war eingefallen, dass Napoleons Heer in Österreich in 23 Tagen 450 Kilometer zurücklegte, und das wurde damals für ein Wunder gehalten. Andererseits hat ein Heer keine Trägerstaffeln. Die armen französischen Musketiere mussten jeden Zentimeter selber gehen. Und egal wie umbarmherzig der Kaiser sie antrieb, sie mussten jede Nacht wenigstens für kurze Zeit kampieren. Wie es aussah, würden wir auf den Rücken unserer Träger Tag und Nacht vorankommen und dabei schlafen, trinken und essen (vor allem rohe Flussschnecken, getrocknetes Truthahnfleisch und ch’anac, eine Art verfestigter Brei aus Mais und Hundeblut) und wer weiß was noch alles tun. Angeblich konnten die Staffelmelder der Inka in weniger als fünf Tagen eine Nachricht von Cuzco nach Quito in Ecuador befördern, und das sind über anderthalbtausend Kilometer. Richtig? Allerdings waren sie schneller. Trotzdem, wenn ein geübter Wanderer mit leichtem Gepäck fünfunddreißig Kilometer am Tag zurücklegt, dann konnten wir, wenn wir immer frische Träger fanden, achtzig schaffen. Und auf dem Wasser … nun, fünfunddreißig Kilometer am Tag ist für ein

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