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2012 – Das Ende aller Zeiten

2012 – Das Ende aller Zeiten

Titel: 2012 – Das Ende aller Zeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian D’Amato
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geschmolzener Stein bis hinunter zum Art weißglühendem Kristallkern der Erde. Die Niederwelten und Überwelten rotierten um uns. Ich war zu Hause.
    Die Zwergin schob eine Kralle durch eine Schnurschlinge im Herddeckel, hob das hölzerne Quadrat an und zog es beiseite. Es sah schwer aus, aber sie schien sich gar nicht anzustrengen. In dem Raum darunter gab es statt einer Feuerstelle einen fast präzise quadratischen Hohlraum, der etwa vierzig Zentimeter tief und an jeder Seite einen Meter lang war. Auf seinem flachen Boden konnte ich so gerade eben die eingeritzten Umrisse eines Spielbretts mit 13 mal 13 Feldern erkennen. Koh saß an der Südwestecke, ich an der nordöstlichen: Die Zwergin setzte je ein Binsenlicht an die Nordwest- und die Südostecke des Brettes. Der Stein war eine Art dunkler, feinkörniger Gneis und besaß eine Patina, wie sie nur durch Haut entsteht, durch Generationen von Händen, die klopfen und reiben, wischen und polieren, und als Koh fünfmal mit dem Griff ihrer Fliegenpatsche an die Südwestecke klopfte, hörte man der Resonanz oder sonst woran, dass die Grube aus dem Felsbett geschlagen war und wir auf der Spitze eines verschütteten Berges saßen, der durch das Schwemmland des Tales reichte bis in die Wurzeln der Sierra Madre Oriental.
    »Ya’nal Wak Kimi«, sprach Koh,
    »Heute an 6 Tod, an 4 Hirsch, im elften Tun, zählend,
    Nahe dem Ende von elf K‘atuns im zehnten B‘ak‘tun, zählend,
    Borge ich nun den Atem dieser Sonne, borge ich nun den Atem der morgigen,
    Borge ich nun den Wind der Sonnen, die auf morgen folgen.«
    Mit dem Finger holte sie etwas feuchten Tabak aus einem der kleinen Körbe und zog die Hand unter ihren Quechquemitl, dass sie ihn sich in den Oberschenkel reiben konnte. Ich wusste nicht so genau, was unter all den Stoffschichten geschah, aber ich fand es dennoch ziemlich erotisch.
    Ich setzte mich ein wenig zurück. Mir war außerordentlich unwohl. Ich war mir fast sicher, dass ich erbrechen müsste, und zwar nicht nur den Inhalt meines Magens, sondern meinen ganzen Verdauungstrakt. Alles von der Speiseröhre bis zum Dickdarm würde aus meinem Mund sprühen und sich auf dem Spielbrett häufen. Ich würgte alles hinunter und setzte mich ein paar Grad aufrechter. Reiß dich zusammen, Joaquinito. Du wolltest mit den großen Jungs spielen. Dann spiel jetzt auch.
    »Nun ist mein eigener Atem ein gelber Wind«, sprach Koh,
    »Nun ist mein eigener Atem ein roter Wind,
    Nun ist mein eigener Atem ein weißer Wind,
    Ein schwarzer Wind, ein smaragdgrüner Wind.
    Du aus meines Onkels Haus,
    Du Ferner und mir nun Naher,
    Hier sitzen wir zusammen
    Zwischen den vier Höhen, vier Vulkanen,
    Hier auf dem blaugrünen Vulkan,
    Fünf Sonnen vom weißen Berg des Nordostens,
    Fünf Sonnen von deinen südöstlichen Höhen,
    Vom roten Berg deiner Familie,
    Fünf Sonnen vom gelben südwestlichen Vulkan,
    Und fünf Sonnen
    Fort von der Dunkelheit,
    Vom schlackeschwarzen nordwestlichen Vulkan.«
    Die Zwergin reichte Koh etwas. Es war ein schwarzer Stein, ein abgerundeter Kegel, der an der Grundfläche fünf Zentimeter durchmaß, knapp zwanzig Zentimeter hoch war und zu einem matten Glanz poliert zu sein schien. Koh setzte ihn in den roten Quadranten – es waren zwar nur Spuren von Pigment auf der Spielfläche übrig, aber natürlich wusste man, welche Farben sie hatte – in die Mulde, oder eher die flache Vertiefung, die für den heutigen Tag stand. Die Unterseite passte in die kleine Vertiefung, sodass der Stein stabil und aufrecht stand. Die Pinguinfrau reichte Koh einen weiteren und noch einen, bisschließlich neun Säulen vom Spielbrett aufragten und den heutigen Tag an diesem Ort repräsentierten, dazu die Plejaden, den Mond und schließlich der Venus, die soeben am Ostrand aufging. Als Nächstes fügte Koh fünf Steine hinzu, die, wie ich glaube, für die fünf Berge von Teotihuacán standen und daher unseren genauen Aufenthaltsort auf Erden darstellten.
    Koh streckte ihre dunkle Hand vor und öffnete sie langsam. Das hieß: »Also, was ist deine Frage?«
    Okay, dachte ich. Überleg dir genau, was du sagst.
    Ich bin mir noch immer nicht sicher, ob sie wirklich mit an Bord ist. Ich muss es irgendwie schaffen, dass sie sich ausdrücklich bekennt. Wenn es nicht reicht, den Doomster zu identifizieren, dann sollte sie mir zeigen, wie man mit neun Steinen spielt. Und wenn man die Opferspiel-Drogen zusammenbringen musste, um das zu tun, dann sollte sie mir auch sagen, wie das ging.

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