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2012 – Das Ende aller Zeiten

2012 – Das Ende aller Zeiten

Titel: 2012 – Das Ende aller Zeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian D’Amato
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Genau.
    »Du neben mir, bitte sag mir«, sprach ich, »wie ich die Stammlinien meiner Heimzeitler durch die letzte Sonne des dreizehnten B’ak’tuns erhalten kann, und für die dreizehn B’ak’tuns, die auf diese Sonne folgen.«
    Koh reagierte nicht. Das Schweigen dehnte sich jedoch auf eine Weise, die mich ziemlich sicher machte, dass sie keineswegs erfreut war. Nun, sie schmeißt mich nicht raus, dachte ich. Schweigen. Schweigen. Schweigen.
    Endlich kroch die Pinguinfrau, die von Koh telepathisch Anweisungen zu erhalten schien wie ein Homunkulus, mit weiteren Korbkästchen in Sicht. Einem entnahm sie einen Krug und einen Pinsel und bemalte die Wände des versenkten Spielbretts mit einem merkwürdig riechenden Fett oder Talg. Als Nächstes pinselte sie es auf die Seitenflächen der stehenden Steine …
    Mann, ist mir schwindlig.
    Wo war ich?
    Die Zwergin reichte Koh einen Korb. Sie nahm ein kleines, sich windendes, rosa-braunes Wesen heraus und setzte es auf den Punkt der Himmelssäule im Zentrum des Spielbretts. Dort kauerte es, drehte den Kopf und blinzelte ins Licht. Ein sehr junges Äffchen war es, kleinerals eine Labormaus – vielleicht fünf Zentimeter groß, wenn es sich aufgerichtet hätte, was es nicht tat – und fast nackt. Es sah beinahe wie ein Miniaturmensch aus. Ich konnte nicht sagen, welcher Art es angehörte, aber dem dünnen Körper und dem langen, spiraligen Schwanz nach zu urteilen handelte es sich um ein Klammeräffchen, ein Ateles, eines der kleinen dunklen Dinger, die viel Obst fressen und praktisch nie auf den Waldboden herunterkommen. Sie wachsen schnell, also musste es sich fast noch um ein Neugeborenes handeln, aber es zeigte bereits einen Ansatz von haselnussbraunem Flaum und wirkte, als es zweimal um den Umkreis des Bretts huschte, so beweglich wie ein erwachsenes Tier. Es versuchte in der Ecke der Wand hochzuklettern, dann zwischen zwei nahe beieinander stehenden Steinen hinauf, doch es rutschte immer wieder ab, glitt am eingefetteten Stein ab. Dann versuchte es herauszuspringen. Beinahe glaubte ich schon, es würde über den Rand kommen, doch ihm fehlten die Kraft und die Körperbeherrschung, die ein erwachsenes Tier besessen hätte, und es konnte nicht doppelt so hoch springen, wie es groß war. Schließlich gab es auf und urinierte in die Mitte des roten Quadranten. Viel zu sehen war nicht – man hätte eine Juwelierslupe gebraucht –, aber ich erhielt den Eindruck, dass es ein Männchen war. Es sah uns an, auch wenn es uns mit seinen winzigen Augen, die zu fokussieren es noch nicht gelernt hatte, nicht erkennen konnte. Das Äffchen kroch in die rot-schwarze Ecke und kauerte sich dort zitternd zusammen. Koh stülpte eine der leeren Kakaotassen über das Tier und schob es über die flachen Mulden zum Feld im weißen Quadranten, das dem heutigen Tag entsprach, vier Reihen vom Tag der Sonnenfinsternis am Rand des schwarzen Quadranten entfernt.
    Eine Pause folgte. Ich merkte, dass ich leicht Schlagseite nach Backbord hatte. Was immer Koh mir mit diesem Zungenkuss untergejubelt hatte, ich war über den Punkt hinaus, an dem es meine Sinne schärfte, und in einen Zustand gelangt, in dem ich Ihnen nicht mehr hätte sagen können, wer ich war – obwohl, jetzt, wo ich daran dachte, war das gar nicht so unwichtig. Dabei habe ich nur eine Spur von dem abbekommen, was sie eingenommen hat, dachte ich. Sie muss genug von dem Zeug im Leib haben, um einen Blauwal umzubringen. Und siewar viel leichter als ich. Kein Wunder, dass die Neun-Steine-Addierer sich an das Zeug gewöhnen mussten, sobald sie fünf Jahre alt waren. Ich hatte wahrscheinlich dieses zugedröhnte Grinsen im Gesicht. Lady Cool musste mich für eine echte Flachpfeife halten. Na ja, beim ersten Mal, da tut’s noch weh, dachte ich.
    Die Pinguinfrau reichte Koh eine zweite Schachtel. Sie war geformt wie eine kleine quadratische Hütte mit einem Büschel aus Schnüren an der Oberseite. Diesmal setzte Koh die Schachtel mitten ins schwarze Quadrat, löste den kleinen Knoten und zog an einer der Schnüre. Eine Wand der Schachtel glitt hoch wie die Tür eines chinesischen Grillenkäfigs.
    Koh legte die offene Hand vor die offene Tür.
    Wir warteten. Was kommt jetzt, fragte ich mich.
    Ein Paar segmentierter Bockkäferfühler entfaltete sich aus dem Schatten, hielt inne, rotierte gegenläufig und erstarrte wieder, und dann glitt ein weißes Band aus Reißzähnen auf Frau Kohs Hand. Es war ein Hundertfüßer, aber keiner, den ich

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