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2012 – Das Ende aller Zeiten

2012 – Das Ende aller Zeiten

Titel: 2012 – Das Ende aller Zeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian D’Amato
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unterlegt mit einem Prickeln wie von Kokain, und weiter unten und etwas später breitete sich ein unnatürlicher Geschmack aus, der an ein bestimmtes Bonbon erinnerte, das hergestellt wurde, als ich noch ein Kind war, eine minderwertige futuristische chemische Drugstore-Neuheit aus der Zeit vor der Hinwendung zu naturbelassener Nahrung … aber ich konnte mich nicht mehr erinnern, wie es geheißen hatte.
    Koh reichte mir die Zigarre. Wahrscheinlich sollte ich mir damit den Wespengeschmack herunterspülen. Ich nahm einen tiefen Zug. Sie schmeckte ein wenig trocken und eigenartig gewürzt, aber gar nicht mal so übel. Ich wusste nicht, was ich mit der Zigarre tun sollte, also behielt ich sie fürs Erste. Die Zwergin kehrte zurück und stellte zu beiden Seiten des Herddeckels eine Reihe von Körbchen, Töpfen und kleinen Schalen auf, als nähmen wir nun den Fünfuhrtee. Mein Mund fühlte sich schon größer an als mein Kopf.
    »Nun nehmen wir an, dass ich hier ein Großes Spiel spiele,
    Vor dir neben mir,
    Würdest du mich an feindliche Große Häuser verraten?
    Oder Fremden meinen Namen nennen?
    Würdest du im Freien wiedergeben, was jetzt geschieht
    In unserer Zitadelle,
    Hier auf unserem Jadeberg, hier unter dem Himmel,
    Über dem Herzland?
    Würdest du draußen darüber schwätzen, auf den hundert zócalos?
    Würdest du mein aderverknotetes Buch aufschlitzen
    In der Sonne, im hellen Tageslicht?«
    Mit einer Zunge, die sich so dick und träge anfühlte wie ein Waldmurmeltier, würgte ich eine Antwort hervor:
    »Wie könnte ich noch Geblüt sein,
    Wenn ich jemals ein Geheimnis wiederholte?
    Von dem Augenblick an würde man mich nicht mehr
    Einen Sohn des Harpyien-Hauses nennen.
    Stärlinge würden mich verhöhnen,
    Hornissen würden mich in beide Lippen stechen, beide Augen, dann leckten Gürteltiere
    An meinem Schädel, in den Dünen, in den Öden,
    Fern von dieser Berghöhle über dem Kratersee
    Unter der Himmelsschale.«
    Na, wie war das, dachte ich. Korrekt genug für dich? Oder möchtest du es auch auf Latein hören?
    Langsam gestikulierte Koh, dass sie verstanden hatte. Ich sah, wie ihre dunkle Hand auf ihren Oberschenkel sank. Sie schien zu fallen und zu fallen und nirgendwohin zu gelangen, und dann schien es, als falle sie gar nicht mehr, sondern schwebe mitten in der Luft. Komisch, dachte ich. Ich sah zu der Uhr rüber, oder genauer, ich begann damit, doch meine Augen brauchten eine Weile, bis sie dort waren. Das ist wieder das zeitzerschmetternde Alter-Pökler-Zeug, dachte ich. Chronolytisch. Nur dass es diesmal viel chronolytischer ist als beim letzten Mal – ah, da haben wir’s. Mein Blick hatte endlich dieWeihrauchkugel gefunden; wie es aussah, war sie halb verbraucht, aber ich konnte sie nicht gut sehen – die Zwergin musste einen Streifen Mullgaze davor gehängt haben … Oh, nein, Entschuldigung, das war nur ein Rauchfähnchen, das sich wegen des Alten Pöklers Staub nicht regte. Ich richtete die Augen wieder auf Koh. Mir kam es vor, als rollten große Granitkugeln in geölten Lagern. Koh machte die nachdrückliche »Warte!«-Geste, die gleiche Geste, die die Harpyien-Sippe bei der Jagd oder bei Plünderzügen verwendete, wenn jeder absolut stillhalten sollte.
    Vor dem Raum pfiff jemand. Die Zwergin huschte zur Tür. Mir schien, als vergingen nach jedem kleinen Schritt Minuten. Koh erhob sich. Es war, als beobachtete man einen Berg, der langsam durch das Absinken der tektonischen Platte unter ihm aufgeworfen wurde. Sie wandte sich mir zu und schüttelte ihre Manta zurecht. Holla, dachte ich. Zu meiner Überraschung war sie viel größer als die durchschnittliche Maya; vielleicht überragte sie mich sogar um Haaresbreite, das heißt, so wie ich jetzt war, und Schakal war ein großer Kerl. Unhöflich drehte ich den Kopf herum und sah sie an. Unter ihrem quechquemitl wirkte sie dünn. Die meisten Sonnenaddierer waren dünn, aber sie war vielleicht ein bisschen zu dünn. Sie machte vier Schritte in die Raummitte und kniete sich, der Tür hinter mir zugewandt, auf den Boden. Ich bin nicht gerade so eine Balletthusche, aber vor langer Zeit habe ich Rudolf Nurejew in L’Après-midi d’un faune gesehen, und in seinen Bewegungen lag eine Art Hochmut, als ob jeder Finger sagte: »Ich bin das Wichtigste und du bist das Nichtigste.« Koh hatte viel davon an sich. Nur dass es hier nicht abstoßend wirkte.
    Ich wandte mich um. In der niedrigen Tür erschienen Kopf und Schultern, die auf und ab schwankten,

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