2012 – Das Ende aller Zeiten
während ihr Besitzer sich aufrichtete. Ich musste meine Augen anstrengen, aber allmählich stellte ich ihn scharf wie einen Spiralnebel in einem großen Teleskop. Er war ein großer Mann in einer dunklen, dünnen Manta. Das Haar trug er offen, und er hatte sich graue Asche auf die Haut gerieben. Seine Zeichnungen konnte ich nicht erkennen, doch er roch nach Katzenmoschus oder trug eher eine Art künstlichen Moschus, der aus der Gauklerblume gewonnen wurde und den die niederrangigen Ozelotsin Ix ebenfalls trugen. Also kam er von der anderen Seite, vom Puma-Haus, war aber selbst kein Katzenwesen. Vermutlich stammte er aus einer unter Obhut genommenen Sippe, die den Pumas als Mönche diente. Mit wispernder Stimme sagte er etwas Unverständliches, und Koh antwortete in der gleichen Sprache. Ich verstehe nicht, dachte ich. Sag es auf Bumfuckistani. Mit fünf langsamen, kurzen Schritten ging der Mann auf Koh zu. Diese rührte sich nicht.
An der Szene war irgendetwas, das mir nicht gefiel. Eine leichte Gänsehaut überlief mich. Der Puma nestelte an seiner Leiste herum. Das darf doch nicht wahr sein, dachte ich schon, doch er zog einen kleinen Beutel hervor, hielt ihn sich dicht vors Gesicht, löste, was wahrscheinlich mehrere dieser unglaublich geheimen Fischerknoten waren, öffnete den Beutel und nahm etwas heraus. Was es war, konnte ich nicht sehen.
Koh neigte sich vor und öffnete den Mund. Der Puma legte ihr etwas auf die Zunge. Sie schloss den Mund, richtete sich wieder auf und zerkaute es.
Mich durchfuhr ein leiser Schock, ein Überrest aus meinen Tagen als unschuldiger kleiner Katholik. War das der Beginn der Kommunionsrituale, fragte ich mich. Nimm und verzweifle, denn das ist mein Seich. Mir war, als müsste ich ersticken, weil ich die Klappe zu halten hatte.
Koh beim Essen zu beobachten, bei etwas so Gewöhnlichem, Menschlichem, war irgendwie beruhigend. Es hatte etwas rührend Alltägliches an sich, das man gern tausendmal betrachten möchte. Plötzlich erschien sie als normale junge Frau, mit der man gern zusammen war, auch wenn sie ein bisschen verrückt sein mochte.
Der Puma-Bote beugte sich vor und hörte zu, wie Koh schluckte. Die Zwergin reichte ihm eine Tasse, in der wohl heißes Wasser war, und er hielt sie Koh hin. Sie nahm sie, wobei sie ihre Hand mit dem Saum des Mantas von der heißen Tasse schützte. Sie trank in einem Zug, was immer darin war, und gab sie dem Mann zurück. Er blickte hinein und schaute dann auf Koh hinunter. Sie öffnete den Mund weit. Er spähte kurz hinein; dann breitete er die Arme aus, um zu zeigen, dass er zufrieden sei. Mir erschien die ganze Sache als Demütigungfür Koh, als säße sie im Knast und müsste unter Aufsicht Beruhigungsmittel einnehmen. Der Puma nahm einen anderen kleinen Gegenstand aus einem anderen Beutelchen an seiner Hüfte. Die Pinguinfrau hielt ihm ein Tauschtablett hin, und er setzte es in die Mitte. Es war die kleine Figur Kohs, deren Gesicht auf die typische Weise bemalt war. Vielleicht war es das gewesen, was Koh zuvor der Zwergin gereicht hatte. Die Pinguinfrau sang in der gleichen alten Sprache eine kurze Dankesrede an den Gast.
Der Puma wisperte zur Antwort eine Dankesrede an den Gastgeber, hockte sich nieder und verschwand rückwärts in den Stollen. Die Pinguinfrau folgte ihm hinaus.
So also machen sie es, dachte ich. Koh und die anderen Seidenweberinnen hatten keinen direkten Zugang zu allen Bestandteilen der Tzam-lic-Drogen. Im Grunde handelte es sich um ein Zweischlüsselsystem. Das Zeug bestand tatsächlich aus wenigstens zwei Ingredienzien. Die höchsten Addierer des Morgenpracht-Hauses wussten, wie man eine davon herstellte, und die Addierer des Puma-Hauses verstanden sich auf die Zubereitung des anderen, und keiner hatte dem jeweils anderen das Geheimnis entlocken können, nicht in den Hunderten von Jahren, seit irgendein Genie dieses System eingerichtet hatte.
Tja, Jed, das hättest du dir denken können, dachte ich. Kein Wunder, dass diese Stadt so lange so stabil gewesen ist. Verdammt, warum bin ich nicht selbst auf die Idee gekommen?
Hölle. Das wird ganz schön schwierig.
Frustration. Ich hatte die Fäuste so fest zusammengeballt, dass sich mir meine langen Fingernägel in die Handballen bohrten. Schön entspannen, dachte ich. Reiß dich zusammen. Wahre Stärke besteht darin, jede Ziellinie als nächsten Startpunkt zu betrachten. Atme.
Koh rührte sich nicht. Ich machte keine Bewegung. Bis auf das Gescharre im Stollen
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