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2012 – Das Ende aller Zeiten

2012 – Das Ende aller Zeiten

Titel: 2012 – Das Ende aller Zeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian D’Amato
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ebenfalls, dann hoch ins Weiß; das Äffchen war quer über das Brett ins Schwarze gesprungen, und der Hundertfüßer folgte ihm zuerst, brach aber die Verfolgung ab, drehte um und huschte zurück, als hätte er erraten, wohin das Äffchen wollte, und ehe ich sehen konnte, was geschah, hatte der Hundertfüßer ihm vor einem stehenden Stein den Weg abgeschnitten. Dann war das Äffchen hinter ihn gesprungen. Es hat ihn ausgetrickst, dachte ich. Der Hundertfüßer erstarrte. Das Äffchen schien allen Mut zusammenzunehmen. Es sprang, packte das letzte Segment des Hundertfüßers und hob es hoch, um ihn gegen den Stein schnellen zu lassen, doch ehe es ihn vom Boden heben konnte, ringelte der Hundertfüßer sich zusammen und brachte seinen Kopf in den Rücken des Äffchens. Ich hatte den beunruhigenden Eindruck, dass der Hundertfüßer das genau so geplant hatte, dass er alles vorhergesehen hatte. Er wickelte sich um den Oberkörper des Äffchens und schlug ihm die gekrümmten Giftzähne in den Nacken.
    Das Äffchen riss sich los, sprang zurück und stolperte. Unverkennbar war ihm das Gift in den Körper gespritzt worden. Es kämpfte sich nach Westen, indem es auf allen vieren kroch, doch bei 8 Schilfrohr rutschten ihm die Hände auf dem Stein weg. Er wich nach Norden aus und schaffte es bis 13 Wind. Nachdem ich das Spiel jahrzehntelang gespielt hatte, spürte ich – ohne zu wissen, wie das möglich war –, dass sein Entsetzen mit etwas Grundsätzlichem in der Anlage des Brettes zu tun hatte.
    Ich sah zu Koh hoch. Sie konzentrierte sich mit brennender Aufmerksamkeit auf das Geschehen und nahm die Panik des Äffchens in sich auf.
    Der Hundertfüßer lauerte abwartend. Ich bemerkte, dass er genau im Mittelpunkt saß, auf dem grünen Nulldatum, das im Weltkartenaspekt des Spielbretts Teotihuacán entsprach. Nach dreißig Sekunden begann sich das Äffchen sich wieder zu bewegen, schleppte sich weiter weg von dem Hundertfüßer. Es empfindet jetzt kaum noch Schmerz, dachte ich, nur eine schreckliche Kälte. Zwei Minuten später hatte es den anderen Rand des schwarzen Quadranten erreicht. Es stürzte wie eine kleine Figur nach vorn auf das winzige Gesicht. Noch konnte es die Hände öffnen und schließen. Davon abgesehen schien es unterhalb des Halses gelähmt zu sein. Der Hundertfüßer kam näher. Nun gab er sich unbekümmerter. Seine Beinchen bewegten sich ohne Hast, wie die Ruder einer Galeone. Als er das Äffchen erreichte, tastete er es mit seinen pelzigen Antennen in langen, sanften Streichen ab. Dann schlang er sich um ihn. Es wurde steif herumgedreht, doch seine Hände schlossen sich noch um zwei der stachligen Beine des Hundertfüßers und versuchten, ihn wegzuschieben. Sie waren kleine Tiere, doch die Szene wirkte gigantisch, als sähen wir die wahre, ungekürzte Geschichte vom heiligen Georg und dem Drachen. Das Äffchen begann zu schreien.
    Der Laut war beinahe zu hoch, als dass ich ihn hören konnte, so schrill und kreischend wie ein Brillant, der über eine Scheibe Glas fährt – ein winziges Geräusch nur, aber so durchdringend, dass ich sicher war, Hun Xoc und die anderen im Hof könnten es hören, 14-Verwundeter quer durch die Stadt, jeder im Ödland, in Ix, am Nordpol und auf dem Mars. Nach einhundertvier Schlägen schien das Glas zubrechen, und der Schrei verstummte, begann wieder und brach erneut, und schließlich schrie das Äffchen lautlos, den Mund aufgerissen und erstarrt, die Lippen von den winzigen Zähnen zurückgezogen. Nach dreitausend Schlägen war es von Verdauungssäften angeschwollen, zuckte aber noch immer. Dann begann der Hundertfüßer zu fressen. Seine kleinen Kiefer und Kiefertaster bewegten sich über das Äffchen, vor und wieder zurück wie ein Kind, das einen Maiskolben abnagt. Zungenlos beleckte er es, begoss es mit gelantineartigem Speichel. Hundertfüßer sind widerliche Fresser, und bald bedeckte eine glänzende Schicht das Äffchen, und unter ihm hatte sich eine klare Pfütze angesammelt. Nach sechzigtausend Schlägen hatten die Verdauungsenzyme des Skolopenders die Muskeln und inneren Organe des Äffchens weitgehend aufgelöst, und es sah mehr wie eine mit Wasser gefüllte Haut aus als wie ein Geschöpf, das vor kurzem noch gelebt hatte. Der Hundertfüßer nagte an seinem Nacken, drang durch den aufgeweichten Schädel zum Gehirn vor, fraß sich dann in den Oberkörper hinein. Wir sahen in erstickender Stille zu. Kohs Pupille hatte sich so weit ausgedehnt, dass das Braune ihrer

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