Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
2012 – Das Ende aller Zeiten

2012 – Das Ende aller Zeiten

Titel: 2012 – Das Ende aller Zeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian D’Amato
Vom Netzwerk:
anderem abgesehen konnte auf unsere Häute eine Belohnung ausgesetzt sein.
    Sieh, bedeutete mir Hun Xoc, indem er meinen linken Arm anstieß.
    Ich folgte seinem Blick. Drei Zwanzigertrupps Schwalbenschwanz-Speerwerfer in roter Pikeerüstung hatten sich soeben durch die Menge geschoben und nahmen zwischen dem Platz und dem Fetischmarkt Aufstellung, wo sie den Zugang zur Hauptachse blockierten.
    Verdammt, dachte ich. Das verpfuscht uns den Zeitplan. Koh muss sie sehen. Oder nicht?
    Ich riskierte einen Blick über die Schulter. Hinter uns ragte das obere Drittel der schmuckvollen mul der Sternenrassler in den Himmel. Auf der Treppe drängten sich Konvertierte und Aspiranten. Sechzig Arme über uns, am Rand der Sakristei, standen die zweiundfünfzig Säuger und Addierer des Sternenrasslers in einer unbewegten Reihe. Sie alle waren nahezu identisch als Männer gekleidet und trugen große Schuppenhelme, Plateausandalen und blaue, Chaak-artige Augenmasken, die wie dicke, glaslose Schutzbrillen aussahen und ihnen helfen sollten, durch den Atem des Schwarzen Verschlingers zu blicken. Über ihnen, an der Spitze der mul , vom Eingang des Heiligtums eingerahmt, erhaschte man einen Blick auf einen hohen Kopfputz, der Frau Gelb gehörte, der obersten Sonnenaddiererin der Seidenweberinnensynode. Ich nehme an, sie war so etwas wie eine Mutter Oberin. Angeblich war sie hundertacht Jahre alt.
    Ich zählte von der Nordecke fünf Gestalten durch und entdeckte Frau Koh. Törichterweise erfasste mich Stolz, als ich sie in der Reihe erblickte. Ihr Gesicht, oder was ich davon sehen konnte, war völlig reglos.
    Woher wusste Koh, dass das Ganze keine Falle war? Nun, nachdem sie mich vernommen hatte, wusste sie zumindest, dass ich nicht log. Ich hätte sogar gewettet, dass sie glaubte, mich unter Kontrolle zu haben. Und vielleicht war es tatsächlich so. Trotzdem konnte sie nicht wissen, was geschehen würde, wenn sie nach Ix kam.
    Oder doch? Vielleicht hat sie ihre eigene Zukunft umfassender vorausgelesen, als sie zugab.
    Vielleicht wollte sie das Spieldrogen-Geschäft an sich reißen, damit sie ihr eigenes Reich gründen konnte.
    Hmm. Na, vielleicht wäre das gar nicht so schlecht. Warum nicht? Zeig ein bisschen mehr Ehrgeiz, Jed! Na, na, mach dir darüber jetzt keine Gedanken. Eins nach dem anderen. A , B , C . Und A ist im Augenblick diese Abteilung Schwalbenschwänze.
    Sie muss sie doch sehen, dachte ich. Sollen wir versuchen, einfach an ihnen vorbeizukommen? Oder sollen wir einen anderen Weg nehmen? Und wenn, können wir es ihr dann signalisieren?
    Nein, tu es nicht, dachte ich. Halte dich lieber an den Plan. Begib dich zum ersten Treffpunkt an der Arzneikammer; dort kannst du umdisponieren, wenn es sein muss.
    Hun Xoc berührte mich wieder am Arm. Ich riss den Kopf herum. Augen nach vorn, Soldat.
    Das Gruseligste hier war – zumindest das Ungewöhnlichste –, dass trotz der Versuchung niemand, aber auch wirklich niemand in der Menge vorzeitig einen Laut von sich gab. Doch wir hatten fünf Tage lang geübt. Ich hatte so lange geflüstert, dass ich mich fragte, ob meine Stimmbänder je wieder funktionieren würden. Während der letzten fünf Tage waren die Vögel so ziemlich die einzigen Lebewesen gewesen, die von sich hören ließen.
    Man spürte, wie die Menge zitterte. Man roch die Erwartung in ihrem Schweiß. Die Masse aus Lebewesen raschelte und zischelte, ächzte und knarrte wie der Dschungel in jener stillen Phase der Nacht unmittelbar vor dem Einsetzen des Chores, der die Morgendämmerung begrüßt. Die Hände schwebten über den Instrumenten, doch niemand pfiff, klopfte oder ließ auch nur eine Rassel sinken. Ich fragte mich, ob irgendeine andere Stadt dieser Größe in der Geschichte der Welt es jemals zuwege gebracht hatte oder zuwege bringen würde, solche Einigkeit in ihrer Bevölkerung zu stiften. Selbst die Tiere schienen von der Stille beeindruckt, sodass der gelegentliche Schrei einer Möwe oder Amsel oder das Bellen eines Hundes im Zwinger halbherzig erschien, nur Staub in der Rille. Hin und wieder schrie ein Säugling und wurde augenblicklich zum Schweigen gebracht. Und wahrscheinlich erstickt, dachte ich.
    Dreckskerle. Trotz der Farben und der Frische und des kollektiven guten Willens war es ein düsterer, schrecklicher Tag. Selbst wenn Sie gar nichts über die Stadt gewusst hätten – sagen wir, Sie wären gerade aus einem Teleporter getreten –, hätten Sie instinktiv gespürt, dass sie an einem Wendepunkt

Weitere Kostenlose Bücher