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2012 – Das Ende aller Zeiten

2012 – Das Ende aller Zeiten

Titel: 2012 – Das Ende aller Zeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian D’Amato
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sollten sie ihre Familien und ihren wertvollsten Besitz nehmen und nach Osten marschieren.
    Dieser letzte Teil verursachte mir ein wenig Unbehagen. An irgendeinem Punkt hatten wir nicht mehr von ihrem Haus und ein paar Anhängern gesprochen, sondern von fast fünftausend Menschen. Gäbe es in den Harpyien-Ortschaften genug zu essen für sie? Und gäbe es unterwegs genug Nahrung und Wasser? Wie viele von ihnen würden auf der Reise sterben?
    Mach dir darüber keine Gedanken, sagte ich mir. Fall einfach nichtweiter auf, besorge die Drogen, schaffe sie nach Ix und sieh zu, dass du verschwindest.
    Koh war augenblicklich vor Frau Gelb zitiert worden, bei der es sich um eine Art Oberin des Ordens handelte. Daraus folgte, dass wenigstens eine ihrer achtundvierzig Vertrauten über sie berichtete. Frau Gelb erklärte Koh, dass die Gemeinschaft plane, über Kohs Mitgliedschaft abzustimmen. Sollte Koh ausgestoßen werden, erwarte man von ihr, dass sie sich ertränke. Später meldete ein Informant in der Aura-Synode ihr, dass die Synoden erwägen, sie aufzufordern, sich ihnen zu präsentieren – das heißt, sie zu zwingen, sich einer Behandlung zu stellen, die nur Folter und Hinrichtung bedeuten konnte.
    Gegen Mittag am Tag des Schweigens wiederholten gewöhnliche Leute auf den Brunnenhöfen und Märkten von Teotihuacán flüsternd, was sie gesagt hatte. Ein Gerücht war es, ein Befehl und eine Parole: Die nächste Sonne gehört dem Sternenrassler. Jeder in der Stadt und wahrscheinlich jeder im Tal von Mexiko hatte davon gehört, von Kot-Locke bis zum niedersten Unratsammler. Und wie bei solchen Dingen üblich, wurde es bereits übertrieben und aufgebauscht. Die Welt löse sich auf. Der Himmel falle herab. Die Stadt werde in einem Loch in der Nullerde versinken. Und so weiter und so fort.
    Trotzdem wollte vor der Sonnenfinsternis niemand etwas unternehmen, das Unruhe geweckt hätte. Zum Teil lag es daran, dass es wie ein Zeichen von Schwäche erschienen wäre, aber auch, weil jeder, von ganz unten bis ganz nach oben, die Schweigeperiode sehr ernst nahm. Außerdem wäre Koh, wenn die Sonne wieder erschiene, ohnehin diskreditiert und entsprechend leicht angreifbar.
    Natürlich wussten die Synoden, dass die Sonne wieder erscheinen würde. Sie wussten fast alles über Sonnenfinsternisse; sie kannten nicht nur die Sarosperiode von achtzehn Jahren und elf und einem Drittel Tage, sie konnten auch vorhersagen, ob sie teilweise oder völlig wären und wie lange sie dauerten. Gleichzeitig versuchten sie dafür zu sorgen, dass die Massen so wenig wie möglich erfuhren. Wie Psychiater musste die herrschende Klasse einem ständig den Eindruck vermitteln, dass es einem durch sie zwar besser gehe, die Lage aber noch immer so prekär sei, dass man wiederkommen müsse.
    Sobald die Sonnenfinsternis endete, würden die Pumas sich auf uns stürzen; sie würden Koh und die meisten von uns umbringen, wenn sie konnten. Ehe sie uns erwischten, müsste ich ihre Komponente der Spieldrogen stehlen, und jeder müsste zum Treffpunkt kommen. Ach ja, und wenn wir alle überlebten, würde ich das Spiel mit neun Steinen erlernen, und meine Notizen würden in Ix begraben werden, damit Marena die Welt vor der Bali-Grippe warnen und jemand rechtzeitig ein Gegenmittel finden konnte. Nach wie vor wusste ich nicht, wie die »Trompetenblume« Disney World vernichtet hatte, aber das musste bis später warten. Nennen wir es einen Schuss ins Blaue.



(55)
    Mit dem Raum stimmte etwas nicht. Es war, als würde die ganze Gegend kleiner, als schrumpfte sie auf die Größe eines stickigen Zimmers. Nein, dachte ich, es ist nicht der Raum, es ist das Licht. Alles kam mir ein bisschen fester, ein bisschen näher vor. Die Schatten waren schärfer. Die Berge, die Menschenscharen und eine lose Strähne meiner geölten Haare wirkten viel zu plastisch. Alle Geräusche wirkten gedämpft wie bei einer Tausend-Pfeifen-Orgel, an der sämtliche Dämpfer im Einsatz waren. Ich schielte zur Sonne hoch. Auf zwei Uhr fehlte ein Häppchen.
    Mir ist noch nichts begegnet, was mich zu der Meinung veranlasst hätte, es gäbe so etwas wie außersinnliche Wahrnehmung. Trotzdem konnte ich mir nicht vorstellen, dass man im Moment irgendwo in dieser Stadt sein konnte – und sei es mit verbundenen Augen, verstopften Ohren in einer doppelwandigen Kiste in einem schallisolierten Keller –, ohne die Angst zu spüren. Sie sickerte durch die Steinmauern. Sie vibrierte in der Erde.
    Kot-Locke brach die

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