2012 – Das Ende aller Zeiten
zu Cyborgs umgebaut mit kleinen, auf dem Kopf montierten Kameras und Chromzähnen. Auf der anderen Seite des Zauns gelangten wir in ein großes Geviert im Stil eines Militärlagers, umgeben von breiten, einstöckigen Fertigbauten. An jeder Ecke ihrer flachwinkligen Zinkdächer waren Flutlichter montiert. Jemand mit visionärer Kraft hatte eine dreihundertjährige Westindische Zedrele gefällt, sie zu einem sauberen Kegel getrimmt, in ein mit Beton gefülltes Loch neben dem Flaggenmast in der Mitte des Platzes gestellt und ihr ein Netz aus ungefähr zehntausend funkelnden grünen und pinkfarbenen Leuchtdioden übergezogen. Das war hier der geschmackvollste Anblick. Zwei Missionare schlichen vorbei, ihre Fahrräder schiebend. Christentum , dachte ich. Wir bieten zweitausendjährige Erfahrung im Auslöschen interessanterer Religionen. Vor uns, am anderen Ende des Gevierts, hatte Elder Lüstling unser Gebäude erreicht und bekam die Tür nicht auf. Grgur stellte die Koffer ab und gab ihm Ratschläge, wie er die Schlüsselkarte am besten durch das Lesedingens ziehen sollte.
»Hier, sehen Sie sich das an«, sagte ich zu Marena. Ich drückte den WIDE -Knopf auf Max’ Laserpointer und schwenkte den Strahl über das nächste Flutlicht. Er schälte eine violette Scheibe aus wimmelnden Insekten und einigen größeren zuckenden Umrissen heraus.
»Das sind Fledermäuse«, sagte ich. »Insektenfressende Fledermäuse meine ich, nicht …«
Marena sah mich gequält an. »Wenn ich nachts schreiend aus dem Schlaf schrecken will, schaue ich vorher C-SPAN .«
»Tut mir leid.« Ich fokussierte den Laserstrahl zu einem Punkt, richtete ihn auf die Wand vor uns und lenkte ihn in die Mitte der noch immer geschlossenen Tür, gleich durch Grgurs Blickfeld. Man konnte kaum sehen, wie er sich duckte und davonhetzte, es war eher so, als verschwände er einfach um die Ecke des Gebäudes.
Verdammt, dachte ich. Da hast du aber ein paar ziemlich teure Reflexe. Speznas-Ausbildung? Ich tat so, als hätte ich es nicht bemerkt,und spielte weiter mit dem Pointer, malte einen Kreis auf den Boden. Grgur kam zurück. Er atmete ein wenig schwer und hatte die rechte Hand hinter dem Rücken. Er zog sich die Hose zurecht, während er seine Knarre wieder ins Holster steckte, ohne dass wir es sehen konnten.
»Alles okay?«, fragte Marena ihn.
»Ja«, gurgelte er. Ich stellte mich dumm und schaute Marena an, um Grgurs Blick auszuweichen, aber natürlich wusste er Bescheid, und ich wusste, dass er Bescheid wusste, und er wusste, dass ich es wusste, und so weiter und so fort. Gut gemacht, Jed. Jetzt hat er dich wirklich auf dem Kieker. Einfach brillant.
Die Tür öffnete sich, und wir gingen hindurch in ein sterilisiertes Luftprodukt mit Anklängen von Freon und frischer Trockenmauer. Wir passierten eine Sicherheitssperre, die von der Aufschrift PRECAUCIÓN / SE PROHIBE LA ENTRADA SIN PERMISO geschmückt wurde, und folgten quietschenden Schrittes einem langen Korridor mit flackernden Leuchtstoffröhren und einem Fußbodenbelag aus NoTrax SuperScraper voller Flecken aus rostrotem Schlamm.
»… nein, danke«, sagte Marena zu Elder 1 . »Aber ich muss unbedingt fünf Minuten mit Lindsay sprechen.«
»Er könnte zu erschöpft sein, um jetzt zu reden«, entgegnete Elder Junior. »Er war aber froh, dass Sie hier angekommen sind.«
»Sie wissen ja schon, dass Taro Mora hier ist, oder?«, fragte Ashley 1 . »Und der SSC läuft. Und wir haben Ihr altes Zimmer für Sie.«
Marena bedankte sich. Jemand reichte mir eine Schlüsselkarte und geleitete mich zu meiner Zelle. Entschuldigung, zu meinem Zimmer. Marena sagte, sie werde mich in ein paar Minuten anrufen. Dann schlossen sie mir die Tür vor der Nase. Das Zimmer wirkte wie ein Raum in einem echten Möchtegern-Luxushotel: ein einzelner Frauenschuh in einem Glasröhrchen, ein gefaltetes keilförmiges Kartondingelchen, das mich informierte, dass für die Gästebetreuung die Marriott Corporate Retreats International zuständig sei, dass das Finn’s Café-Restaurant noch nicht in Betrieb sei, Frühstück aber von sieben bis zehn Uhr in der Cafeteria serviert werde, dass in der gesamten Anlage Rauchverbot herrsche und eine Krankenschwester und ein spiritueller Berater rundum die Uhr auf Abruf bereitständen. Am Ende wurde mir die Frage gestellt, ob ich anstelle eines herkömmlichen Weckanrufs vielleicht lieber eine inspirierende Botschaft erhalten wollte. O nein, vielen Dank, dachte ich. Lieber lasse ich mir
Weitere Kostenlose Bücher