2012- Die Rückkehr
möglicherweise bis ans Ende seiner Tage für seine Pflegetochter sorgen.
Er brauchte einen Schwiegersohn, der ihm diese Last abnahm.
Bevor im Jahr 2009 auf dem Lake Okeechobee das sogenannte Riverboat-Glücksspiel legalisiert wurde, war Belle Glade vor allem von der Landwirtschaft geprägt.
Die meisten Feldarbeiter waren Afroamerikaner oder Hispanics. Die großen Zuckerfirmen stellten bevorzugt kräftige Männer für einfache Tätigkeiten ein - eine Tatsache, die sich entsprechend negativ auf die Leistungen in diesem Schulbezirk auswirkte, der bei den standardisierten Tests im Land am schlechtesten abschnitt. Für die meisten jungen Männer, die in dieser Gegend aufwuchsen und hier in die Highschool gingen, kam das College nicht infrage. In Belle Glade arbeitete man entweder auf dem Feld, oder man verkaufte Drogen. Oder man war Sportler.
Der siebzehnjährige Virgil Robinson war Sportler, und besonders gut spielte er Football. Nach drei Jahren in der Mannschaft seiner Highschool hatte er sich den begehrten Titel »Aggressivster Linebacker im ganzen Staat« erspielt. Obwohl die Glades Central High bei standardisierten Tests einen so schlechten Ruf hatte, war sie eine der besten Schulen der ganzen Nation, sobald es um Sport ging - sie brachte mehr professionelle Athleten hervor als jede andere Schule im Land. Im Jahr 2011 gehörte Virgil zu den Stars des Football-Teams. Der junge Mann wog über 231 Pfund, war beeindruckende eins sechsundneunzig groß, rannte die vierzig Meter in nicht einmal viereinhalb Sekunden und sprang aus dem Stand über einen Meter dreißig hoch. Noch wichtiger war jedoch, dass der schnelle Junior Middle Linebacker die gegnerischen Linien entschieden und rücksichtslos zu durchbrechen pflegte, nach dem Motto: je brutaler, desto besser. »Ich will die Typen nicht nur weghauen. Ich will, dass Blut fließt.«
Die Verteidiger der gegnerischen Mannschaften fingen an zu zittern. Den Anwerbern aus den Colleges floss das Wasser im Mund zusammen.
Als Virgil sechs Jahre alt gewesen war, waren seine Eltern gestorben, und seither hatte er auf den Feldern seines
Onkels arbeiten müssen. Er konnte kaum lesen und schreiben und hatte, wie er selbst zugab, »von den meisten Dingen nicht viel Ahnung«, aber er wusste immerhin, dass Football das Ticket war, mit dem er Belle Glade würde verlassen können. Inzwischen war er in seinem Abschlussjahr und genoss die ersten Vorboten des Erfolgs. Das Anwerberitual hatte begonnen, und die Collegeberater der Division I-A versuchten ihn mit der Aussicht auf Reichtum, schnelle Autos und hübsche Studienanfängerinnen zu ködern. Virgil Robinson gehörte zu den Sportlern, die eine drohende Niederlage abwenden, ein Spiel kippen und den nationalen Titel für ihre Mannschaft nach Hause holen konnten. Jeder Trainer kannte seinen miserablen Notendurchschnitt und wusste, dass Virgils Lesefähigkeiten denen eines Drittklässlers entsprachen, doch das schien niemanden zu kümmern. Tutoren waren leichter zu finden als Erstligaspieler, und an annehmbare Noten konnte man sich mit viel Unterstützung Schritt für Schritt herantasten. Im allerschlimmsten Fall wäre der Junge aus Belle Glade eben der schlechteste Student seines Jahrgangs.
Natürlich hatte Virgil genauso wenig Interesse daran, einen ordentlichen Abschluss zu machen wie ein Buch aufzuschlagen. Nach ein oder zwei Jahren, in denen er an einem erstklassigen Footballprogramm teilnehmen würde, wäre er in der Lage, Profispieler zu werden. Nach diesen ein, zwei Jahren würde das Geld nur so hereinströmen. Werbung für Schuhe und Fitnessdrinks, solche Sachen eben. Als Millionär konnte man auf Bildung pfeifen. Solange er sich seinen Appetit auf Gewalt bewahrte, hätte er in den Footballarenen ebenso Erfolg wie außerhalb.
Unglücklicherweise war Virgils Appetit auf Frauen und Drogen genauso groß, wobei Letztere seinen Hang zur
Gewalt verstärkten. Am Abend, bevor er gegenüber der University of Florida eine vorläufige Zusage unterschreiben wollte, beschloss der Star der Highschool, die Nacht in der Stadt zu verbringen und mit Freunden und Mannschaftskameraden zu feiern. Sobald die jungen Männer high waren, fuhren sie ins nahegelegene Clewiston, um eine Tanzveranstaltung der mit ihnen konkurrierenden Schule zu sabotieren. Während des letzten Spiels war Virgil eine der Cheerleaderinnen aufgefallen, und die Lenden des gefeierten Linebackers fingen an zu schmerzen, sobald er nur daran dachte, sie wiederzusehen.
Das
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