2012- Die Rückkehr
Zimmer. »Nur die Ruhe, Kleines, alles wird wieder gut.«
Madelina zerrt an der Matratze, als ein neuer Krampf ihren Leib aufzucken lässt. »Vir… gil!«
Die Hebamme wendet sich an den Priester. »Holen Sie ihn. Ich komme hier alleine klar.«
Quenton zieht sich aus dem Schlafzimmer zurück, eilt zur Vordertür des drückend heißen Stuckhauses und hinaus in die Nacht.
Madelina Aurelia, das einzige Kind von Miguel und Cecilia Aurelia, wurde in der mexikanischen Kleinstadt Morelos geboren. Cecilias Heirat mit Miguel war von seinem Onkel Don Rafelo arrangiert worden, einem Mann, den alle fürchteten, da er als Ojo mak , als ein böser Mensch, galt, denn dieser hatte erfahren, dass die weiblichen Vorfahren des Mädchens von reinblütig aztekischer Abstammung waren; diese mütterliche Linie reichte zurück bis in die Tage Montezumas.
Kaum war Madelina auf der Welt, schien das junge Paar vom Pech verfolgt. Cecilia wäre bei der Geburt beinahe gestorben, und Miguel erlitt einen Monat nach der Geburt seiner Tochter einen Schlaganfall, der ihn teilweise lähmte. Verwandte raunten sich zu, Don Rafelo habe seinen bösen Blick auf die Aurelias geworfen, da er sich in den Besitz ihrer Tochter bringen wolle. Insgeheim rieten sie dem jungen Paar, Morelos und den Ojo mak so schnell wie möglich zu verlassen.
Die Aurelias blieben im Ort, bis Madelina vier war, dann schlossen sie sich einer Gruppe von Erntehelfern an, die in die Vereinigten Staaten gingen. Während der
nächsten beiden Jahre zogen die illegalen Einwanderer von Florida nach Texas, je nachdem, wo es Arbeit auf den Feldern gab.
Für die Aurelias schien das Leben in den Staaten genauso verhext zu sein wie in Morelos. Infolge eines Bienenstichs erblindete Aurelia auf dem rechten Auge, und Miguel erlitt einen zweiten Schlaganfall. Als die Hütte der Aurelias abbrannte, verließ das abergläubische Paar Belle Glade und ließ ihre Tochter auf der Schwelle des Jugendamts der Kleinstadt zurück.
Einen Monat später wurde Madelina der Obhut von Reverend Quenton Morehead und seiner Frau Rachel übergeben.
Schon bald wurde offensichtlich, dass irgendetwas mit der jungen mexikanischen Immigrantin auf ganz fundamentale Weise nicht in Ordnung war. Das bizarre Verhalten des Kindes, das in aller Öffentlichkeit masturbierte und seinen eigenen Kot als Fingerfarben benutzte, führte dazu, dass der gottesfürchtige Reverend behauptete, das Mädchen sei besessen. Seine Frau, die mit den Beinen fester auf der Erde stand als er, vermutete ein chemisches Ungleichgewicht und vereinbarte einen Termin bei einem Kinderpsychiater.
Nach zwei Besuchen und zahllosen Tests diagnostizierten die Ärzte eine bestimmte Form von desorganisierter Schizophrenie, die wahrscheinlich von einem leiblichen Elternteil vererbt worden war. Sie verschrieben Medikamente und empfahlen eine Therapie.
Zwei Wochen später entdeckte Rachel Morehead einen Knoten in ihrer linken Brust. Sie starb noch im selben Jahr.
In tiefe Depressionen über den Tod seiner Frau versunken, war Quenton gezwungen, die zusätzliche Last von Madelinas Krankheit alleine zu tragen. Da er den »psychiatrischen
Hokuspokus« nicht akzeptieren konnte, schien es dem Priester am sinnvollsten, die Dämonen des Mädchens selbst zu exorzieren.
Gebete, die durch Quentons donnernden Vortrag noch an Macht gewinnen würden, wären in der Lage, Madelinas Seele zu reinigen. Tägliche Bibellesungen und nächtliche Gottesdienste würden ihre müßige Zeit nach der Schule ausfüllen und ihren Geist daran hindern, zu Satan zurückzukehren. Jesus würde Sein leitendes Licht in das dunkle Tal des Mädchens scheinen lassen.
Es war ein langer, erschöpfender Weg zum Heil, der durch Quentons eigene Krankheit noch komplizierter wurde: Er war Alkoholiker.
Wenn er betrunken nach Hause gestolpert kam, zog sich der ordinierte Priester oft aus und kroch nackt zu seinem verängstigten neun Jahre alten Pflegekind ins Bett. In guten Nächten schlief er dann einfach ein.
Doch es gab auch einige entsetzliche Nächte, in denen er wach blieb.
Ein paar Wochen nachdem es das erste Mal so weit gekommen war, begann das Mädchen, sich mit imaginären Freunden zu unterhalten. Quentons Schläge, so schien es, brachten die Stimmen zum Verstummen.
Als Madelina sechzehn wurde, war sie mehrere Dutzend Male von ihrem Pflegevater missbraucht worden. Ihre Schizophrenie der Jugendlichen hatte sich inzwischen verschlimmert, und der Priester fürchtete, er müsse
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