2012- Die Rückkehr
Zufall.«
»Was bedeutet, dass du mit einem formalisierten Training sehr gut zurechtkommen dürftest.«
»Was muss ich tun?«
»Zunächst einmal solltest du dich entspannen. Deine Mom hat mir gesagt, dass du Yoga machst. Konzentriere dich auf deine Atmung. Denk an gar nichts. Computer, Beleuchtung um 60 Prozent dimmen.«
Der Raum wird dunkler.
»Jake, ich möchte, dass du dir ein leeres Blatt Papier nimmst. Schreib deinen Namen und das Datum in die
obere rechte Ecke.« Major Phillips greift in seine Brusttasche und zieht sechs doppelwandige, blickdichte Umschläge heraus. In jedem befindet sich ein zusammengefaltetes Stück Papier, auf dem einige mit Tinte geschriebene Worte stehen.
»Es gibt sechs verschiedene Stufen der Fernsichtigkeit. Wir beginnen immer mit Stufe eins. Weißt du, wie Telepathie funktioniert?«
»Ein Bewusstsein stimmt sich auf ein anderes ein.«
»Korrekt. Fernsicht-Erfahrungen funktionieren nach demselben Prinzip. Informationen sind in Form von Energie auf einer psychischen Ebene gespeichert, und zwar unabhängig davon, ob es sich um Informationen aus der Zukunft oder aus der Vergangenheit handelt. Um an Teile dieser Information heranzukommen, braucht man eine Spur- oder Signalreihe. Das Denken kann sich unbewusst auf die Bedeutung dieser Spurreihen einstimmen. Bei dir und deinem Bruder könnte das Bewusstsein sogar genetisch so stark weiterentwickelt sein, dass ihr diese Spurreihen selbst heraufbeschwören oder abrufen könnt. Diese Spurreihen zeigen sich in Form eines scharf umrissenen, blitzschnellen Zustroms an Bedeutungen. Dein vorbewusstes Nervensystem wird diese Eindrücke durch die Muskeln und Nerven deines Arms und deiner Hand übertragen und sie als Zeichen auf dem Papier festhalten. Es ist sehr wichtig, dass du nicht versuchst, diese Zeichen zu analysieren, sondern sie einfach kommen lässt. Im Verlauf dieses Prozesses könnte es sein, dass du bildhafte Vorstellungen dieser Spuren empfängst oder sie in Form einer fernsichtigen Erfahrung wahrnimmst. Sollte das der Fall sein, dann sag mir einfach, was du siehst. Auch dabei solltest du versuchen, nichts zu interpretieren. Na? Hört sich das nicht so an, als würde es Spaß machen?«
Der weißhaarige Zwilling zuckt mit den Schultern. »Ich kann das alles schon.«
»Tatsächlich? Dann sollte dir die erste Koordinate leichtfallen.«
Phillips schiebt den ersten Umschlag vor Jacob. »Nimm Kontakt mit dem Objekt auf. Sag mir, was es ist.«
Der Junge berührt den Umschlag und schließt die azurblauen Augen. »Das ist zu einfach. Es ist ein Strand. Der Strand an der Rückseite unseres Grundstücks.«
Phillips verzieht keine Miene, obwohl er ziemlich beeindruckt ist. »Nehmen wir noch einen.« Er lässt den zweiten Umschlag aus und geht gleich zum dritten über.
Jacob schließt die Augen. »Von Menschen hergestellt … Bronze und Stahl … von Wasser umgeben. Ich höre das Echo einer Stadt.«
»Wo bist du?«
»Die Freiheitsstatue.«
Phillips schweigt, doch sein Herz hämmert wie eine Kesselpauke.
»Dann der Nächste.« Er schiebt einen weiteren Umschlag nach vorn.
Ein Berg … sein Vulkangipfel ragt immer weiter hinauf …
Die Spurlinien des Diamond Head auf Hawaii verdichten sich in seinem Geist …
… und lösen sich dann plötzlich auf, verwandeln sich in eine bedrohliche, fremde Welt.
Karmesinrote Kohle glüht an einem unterirdischen Deckengewölbe, und ihr Feuer spiegelt sich auf der geschmolzenen Oberfläche eines silbernen Sees darunter. An einem der Vulkansandufer des Sees steht ein Baum, wie er noch nie einen gesehen hat. Er ist breit wie ein Silo und weiß wie in der Luft treibender Schnee; aus den kahlen Ästen und der fremdartigen Rinde tropft eine alabasterfarbene, sirupartige Flüssigkeit.
In dem großen Stamm, dort, wo er sich wie ein »V« teilt, befindet sich etwas.
Jacobs Bewusstsein nähert sich dem Gegenstand.
Es ist ein menschlicher Kopf. Der durchtrennte Hals verschmilzt mit der elfenbeinfarbenen Flüssigkeit des Baumes.
Plötzlich öffnen sich die Lider, und ein feuriger Blick dringt aus den azurblauen Augen .
Wer ist da draußen? Wer immer du auch sein magst, bleib fort!
Ennis Chaney steigt im ersten Stock aus dem Fahrstuhl, wendet sich dann nach links und geht den Hauptkorridor hinab bis zu den Doppeltüren, die mit »SOSUS LAB« beschriftet sind.
SOSUS, ein Unterwasser-Überwachungssystem, besteht aus einem unterseeischen Netz aus Mikrofonen und Kabeln, das ursprünglich von der
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