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2012 - Folge 8 - Der zeitlose Raum

2012 - Folge 8 - Der zeitlose Raum

Titel: 2012 - Folge 8 - Der zeitlose Raum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei
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drehte es weiter in den Fingern.
    Tom erkannte es – und er erkannte, was Alejandro im Begriff war zu tun.
    Bei dem Ding handelte es sich um eine Art Kryptex, ein etwa zehn Zentimeter durchmessender Hohlzylinder aus mehreren Metallringen, die sich drehen ließen und das Behältnis öffneten, wenn man die richtige Folge von Farben und Zahlen einstellte, die in die Metallringe eingelegt beziehungsweise -graviert waren.
    Was das »Kryptex« – Tom nannte es der Einfachheit halber so, obwohl die Bezeichnung eine Erfindung des Autors Dan Brown und historisch nicht tragbar war – enthielt, wusste er nicht. So wenig wie Sir Ian es gewusst hatte, der Jahre damit zubrachte, es knacken zu wollen. Es war beim Wollen geblieben, auch weil Sutherland bei seinen Versuchen höchste Vorsicht walten ließ. Es war wahrscheinlich, dass das Kryptex eine Sicherung enthielt, die bei falscher Handhabung den Inhalt zerstörte; zum Beispiel eine Phiole mit Essig, die zerbrechen und dann ein vielleicht enthaltenes Papier zersetzen konnte.
    Ebenso gut konnte die Phiole aber auch Säure enthalten!
    »Jandro, nein!«, rief Tom, wollte auf und zu dem Jungen hin springen und ihm das Kryptex aus der Hand nehmen. Verdammt, wo hat er das Ding überhaupt her?
    Alejandro hob den Kopf, ohne aufzuhören, an den Ringen des Zylinders zu drehen. Er sah Tom verdutzt an.
    Tom streckte die Hand aus, seine Finger berührten das Kryptex. In diesem Moment machte es Klick .

    Île de Ré
    Die Stimme des Kellners aus dem Bistro hallte in McDevonshires Kopf wider. Vielleicht war deshalb der alte Doktor Saunier bei ihm …
    Dann wurde diese Stimme von Louis Cruchots abgelöst.
    Ein alter Schulfreund. Er war … ist oft hier.
    Und anscheinend war er auch jetzt hier.
    Der Tote auf dem Boden des Waschraums war ein alter Mann. Und er war nicht etwa gerade erst oder vor ein paar Stunden gestorben. Die Haut war wächsern, zeigte hier und da, so weit sie zu sehen war, bereits dunkle Flecken. Und es ging schon ein Geruch von dem Mann aus, noch nicht ganz nach Verwesung, aber auf dem Weg dahin. Es war, wie McDevonshire nach über dreißig Jahren Polizeidienst wusste, der viel zitierte Geruch des Todes – bevor er zum Gestank der Toten wurde.
    Er ging in dem engen Raum in die Knie. Während er natürlich überlegte, was sein Fund im größeren Rahmen – im Zusammenhang also mit dem Ort und Cruchot – zu bedeuten hatte, untersuchte er den Toten mit raschen, kundigen Griffen. Er entdeckte eine verkrustete Wunde im Oberkörper des Leichnams. Eine Schussverletzung. Über der Saunier allerdings ein frisches, unversehrtes Hemd trug.
    Bevor McDevonshire sich konkret fragen konnte, was davon zu halten war, ging hinter ihm die Tür auf. Nicht langsam, nicht vorsichtig, sie wurde kraftvoll aufgestoßen, traf ihn ins Kreuz und ließ ihn stürzen, sodass er auf dem Rücken neben der Leiche zu liegen kam und mit dem Kopf gegen den Porzellansockel der Toilette stieß.
    Für eine halbe Sekunde ließ der Schmerz Sterne vor seinen Augen aufblitzen und verglühen. Als er wieder klar sah, ragte Cruchot über ihm auf, aus dieser Perspektive riesengroß wirkend.
    Und riesengroß wirkte dazu passend auch das Mündungsloch seiner Dienstpistole, in das er McDevonshire blicken ließ.
    Cruchots Gesicht, das ballonhaft darüber schwebte, wollte hingegen nicht zu dem passen, was er da tat – seine Miene wirkte vordergründig zwar immer noch seltsam müde und schlaff, aber dahinter glaubte McDevonshire einen Ausdruck des Bedauerns zu erkennen. Als täte ihm schrecklich leid, was er jetzt tun müsse – und er sah in der Tat aus, als müsste er es tun, als könnte er nicht anders, warum auch immer.
    »Saunier«, sagte Cruchot, »hatte Glück.« Ein Zucken um die Mundwinkel, die sich dann doch nicht ganz zu einem Lächeln formen lassen wollten, als fehlte die Kraft, die dazu nötig war.
    »Glück?«, fragte McDevonshire, um Cruchot zum Weiterreden zu ermuntern. Um Zeit zu gewinnen.
    »Ja, Glück. Er hat sich nicht so lange …«, ein ungelenkes Schulterzucken, »… gehalten.«
    Dann sprach Cruchot nicht weiter. Sondern tat, was er tun musste.
    Er drückte ab.

    Schottland
    Klick …
    Nichts geschah.
    Das Kryptex klappte in der Mitte zwischen zwei Metallringen auseinander, ja, aber das war alles. Es spritzte und wölkte nichts hervor, es explodierte nichts in Alejandros Händen.
    Tom entriss es ihm trotzdem wütend, obwohl zugleich eine ungeheure Erleichterung in ihm aufstieg. Doch bevor er sich

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