2012 - Folge 9 - Die Weltuntergangsmaschine
sie auf ihre nächste Reise:
»Nach Rom.«
Tom zweifelte nicht daran – das war die Maschine, die in den uralten Aufzeichnungen beschrieben wurde.
Entsprechend vorsichtig und ehrfurchtsvoll ging er um den Tisch herum, nachdem sie die Kugel nicht zurück ins Kloster, sondern in Christofides’ Haus gebracht hatten, weil es näher lag und sie dort ungestört waren. Und weil sich – sollte der schlimmste Fall eintreten – keine anderen Menschen in unmittelbarer Nähe befanden.
Aber wenn alles stimmte, was in den Tagebucheinträgen von Francisco Hernández de Córdoba über dieses Ding zu lesen stand und was man daraus für Schlussfolgerungen ziehen konnte, dann machte es keinen Unterschied, ob Menschen sich in seiner Nähe oder irgendwo anders auf der Erde aufhielten. Was immer diese zwar ungewöhnliche, aber unterm Strich doch harmlos wirkende Kugel anrichten konnte, es würde angeblich die ganze Welt betreffen und in den Abgrund reißen.
Was in der Tat schwer vorstellbar war, wenn man diese Maschine jetzt betrachtete. Dementsprechend gewann in Tom die reine Faszination die Oberhand, als er die Kugel jetzt näher in Augenschein nahm.
»Die Teile bestehen aus Gold, Kristall und Jade«, stellte er fest. Auch das wusste er bereits aus der Kladde Córdobas, der die Bauteile auf Geheiß des »Weißen Ritters« gesucht hatte. In dessen Auftrag hatten die Maya die Teile zuvor gefertigt, doch sie hatten sie vor ihm versteckt, als ihnen klar wurde, was der »Weiße Gott« im Schilde führte. Der spanische Conquistador hatte solche Bedenken nicht gekannt, denn was der »Ritter« ihm als Lohn in Aussicht stellte, war überzeugender gewesen: Unsterblichkeit.
Tom schauderte. Welchen Reiz besaß ewiges Leben, wenn es keine Welt mehr gab, auf der man es ausleben konnte? Dann würde es zum Fluch geraten. Wenn man wirklich alle Menschen überlebte und als Einziger übrig blieb.
Für ihn bestand der Reiz allein darin, mit der Welt alt, aber nicht älter zu werden, Zeuge ihrer Geschichte zu sein, selbst mitzuerleben, was Archäologen sich andernfalls im Nachhinein zusammenreimen mussten aus Teilen der Vergangenheit, die ihr bloßes Vergehen überdauerten.
Vierzig solche Teile sah er jetzt vor sich. Einundvierzig sogar, wenn man den Himmelsstein dazuzählte, der den anderen Stücken laut Alejandro erst Zusammenhalt gegeben hatte.
Das helle Licht, das aus der Maschine drang und nicht nur weiß, sondern auch golden und grün schimmerte, war schon auf dem Weg zu Phantasos’ Haus erloschen. Tom hatte die Kugel getragen und selbst gesehen, wie das Leuchten aus den kaum wahrnehmbaren Fugen zwischen den einzelnen Teilen immer schwächer geworden war, je weiter sie sich von der Nekropole entfernt hatten. Bis es auf halber Strecke ganz verebbte.
Es war – zumindest für Tom – nicht schwer, eine Erklärung dafür zu finden.
»Ich vermute«, sagte er, geduckt vor dem Tisch stehend und die Kugel über die Platte hinweg musternd, »dass sich die … Kräfte, die in der Nekropole existieren, auf die Maschine auswirken.«
»Oder auf den Himmelsstein«, warf Maria Luisa ein, die sich mit Jandro im Hintergrund hielt, während der Padre sich der Faszination, die diese Kugel ausübte, kaum entziehen konnte.
»Stimmt.« Tom nickte. »Aber erst im Zusammenspiel mit den anderen Elementen der Maschine, deren Motor er ist.«
»Aber was ist ihre genaue Funktion?«, wunderte sich nun Christofides. »Sie tut ja nichts – steht nur da und summt.«
Tom nickte abermals. »Und die Teile bewegen sich ganz leicht. Aber ich denke, wir sollten froh sein, dass sie nichts weiter tut – zumindest im Moment.« Er überlegte weiter. »Ich nehme aber auch an, dass sie uns das Leben gerettet hat.«
Der Padre begriff gleich, worauf er anspielte. »Du meinst, diese Kugel ist dafür verantwortlich, dass Dallocchio erlöst wurde?«
»Denkbar, nicht? Du hast ja selbst gesagt, dass du den Exorzismus noch nicht zu Ende geführt hattest. Ich vermute, dass die Maschine, sobald sie in Reichweite war, die Kraft des Ortes dort unten an sich gerissen hat – und im gleichen Zug aus Dallocchio heraus.«
»Hm«, machte der Exorzist. »Dann trägt dieser Himmelsstein seinen Namen vielleicht ganz zurecht. Und ich könnte ihn gut für mein Arsenal gebrauchen.« Er wies auf seine Einsatztasche.
»Vergiss es.« Tom schüttelte den Kopf. »Das Ding ist viel zu gefährlich.«
Der Padre seufzte. »Außerdem lässt sich die Maschine ja sowieso nicht mehr auseinanderbauen,
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