2012 - Schatten der Verdammnis
den Franzosen unterstützt, ebenso wie von Russland und China. Außerdem möchte ich darauf hinweisen, dass auch Australien zu den Ländern gehört, die dem Iran weiterhin verbilligte Kredite gewähren. Mit solchen Krediten haben die Iraner ihr Arsenal an nuklearen, chemischen und biologischen Waffen überhaupt erst aufbauen können. Halten Sie es denn ernsthaft für einen bloßen Zufall, dass die Waffe ausgerechnet auf der Nullarbor Plain erprobt wurde?«
»Jetzt zeigen Sie mal nicht mit dem Finger auf die Australier«, wirft Sam Blumner ein, der Wirtschaftsberater
des Präsidenten. »Sie werden sich wohl noch daran erinnern, dass es die amerikanischen Kredite an den Irak waren, mit deren Hilfe Saddarn Hussein in Kuwait eingefallen ist.«
»Richtig«, sagt der Präsident. »Übrigens habe ich ausführlich mit dem australischen Premierminister gesprochen. Die beiden großen Parteien seines Landes bilden eine geschlossene Front und bezeichnen den Vorfall als kriegerische Handlung. Ich zweifle stark daran, dass sie einen solchen Test geduldet hätten.«
General Fecondo reibt sich mit beiden Handflächen die gebräunte Stirn. »Herr Präsident, die Tatsache, dass diese reinen Fusionswaffen existieren, ändert gar nichts an der Gesamtsituation. Eine Waffe zu erproben und sie bei einer kriegerischen Auseinandersetzung zu benutzen, ist zweierlei. Kein Land wird die Vereinigten Staaten zu einem nuklearen Kräftemessen herausfordern.«
Costolo blickt den Chef des Vereinigten Generalstabs an. »Was meinen Sie, Herr General: Wenn wir einen Marschflugkörper hätten, mit dem wir sämtliche Raketenstellungen an der iranischen Küste vernichten könnten, würden wir ihn dann nicht vielleicht doch einsetzen?«
Dick Przystas hebt die Augenbrauen.
»Ein verführerischer Gedanke, nicht wahr? Ich frage mich, ob die Iraner nicht ebenso geneigt sind, die Ronald Reagan und ihre Begleitschiffe aus dem Weg zu räumen.«
»Ich sage Ihnen mal, was ich denke«, meldet sich der hoch aufgeschossene Generalstabschef der Marine. »Ich interpretiere diesen Vorfall als eine Art Schuss vor den Bug. Die Russen teilen uns dadurch mit, dass sie reine Fusionswaffen besitzen, weil sie hoffen, dass ihre kleine Demonstration uns dazu bringen wird, den Ausbau des Raketenabwehrschilds abzubrechen.«
»Und dass können wir nicht tun«, stellt Przystas fest. »Die Zahl der Schurkenstaaten, die über nukleare und
biologische Waffen verfügen, hat sich in den vergangenen fünf Jahren verdoppelt...«
»Wenn wir weiterhin immer mehr Geld für die Entwicklung von Atomwaffen ausgeben«, unterbricht ihn Chaney, »vermitteln wir der übrigen Welt die eindeutige Botschaft, dass die Vereinigten Staaten weniger an Abrüstung interessiert sind als daran, auch künftig in der Lage zu einem atomaren Erstschlag zu sein. Die Welt steuert direkt auf einen Atomkrieg zu. Das wissen die anderen ebenso gut wie wir, aber trotzdem sind wir alle viel zu sehr damit beschäftigt, uns gegenseitig die Schuld zu geben, als dass wir es schaffen könnten, den Kurs zu ändern. Wir benehmen uns alle wie ein Haufen Idioten, der blind und taub in eine tödliche Falle tappt.«
Als die Besprechung zu Ende ist, wird Ennis Chaney auf dem Flur von Borgia erwartet. »Ich muss mich kurz mit Ihnen unterhalten.«
»Bitte.«
»Ich habe mit dem Kapitän der Boone gesprochen,«
»Und?«
»Sagen Sie mal, Chaney, welchen Grund könnte der Vizepräsident der Vereinigten Staaten wohl haben, einem entflohenen Verbrecher zur Flucht zu verhelfen?«
»Ich weiß wirklich nicht, wovon Sie reden.«
»So was kann eine politische Karriere sehr rasch ruinieren.«
Die schwarzen Augen bohren sich in die Borgias. »Wenn Sie mir etwas vorwerfen wollen, tun Sie es doch. Überhaupt - wie wäre es, wenn wir beide alles offen auf den Tisch legen und schauen, wer nachher besser dasteht?«
Borgia verzieht den Mund zu einem nervösen Grinsen. »Nur mit der Ruhe, Ennis. Schließlich will ich Sie nicht vor Gericht bringen. Ich bin nur daran interessiert,
dass Gabriel wieder dahin kommt, wo er hingehört: in eine psychiatrische Anstalt.«
Chaney schiebt sich an dem Außenminister vorbei und unterdrückt ein Lachen. »Na schön, Pierre, ich werde fleißig Ausschau nach ihm halten.«
7. Dezember 2012 Golf von Mexiko
4.27 Uhr Das penetrante Läuten weckt Edmund Loos aus dem Tiefschlaf. Er tastet nach dem Hörer und räuspert sich. »Hier ist der Käpt’n. Was gibt’s?«
»Tut mir Leid, dass ich Sie geweckt
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