2012 - Schatten der Verdammnis
herum dreht sich, als der Trichter den Seasprite endgültig verschlingt.
Das Letzte, was Oberleutnant Jonathan Evans wahrnimmt, ist das seltsame Gefühl, mit dem seine Wirbel unter einer erstickenden Umarmung zerbersten. Es ist, als werde sein Körper in einem riesigen Müllverdichter zerquetscht.
8. Dezember 2012 Nationalpark Gunung Mulu Sarawak, Malaysia
5.32 Uhr Ortszeit (13 Stunden später)
Sarawak an der Nordwestküste von Borneo ist der größte Staat der malaysischen Föderation. Gunung Mulu, der bedeutendste Nationalpark des Staates; umfasst eine Fläche von neunhundert Quadratkilometern und wird von drei Bergen beherrscht, dem Gunung Mulu, dem Gunung Benarat und dem Gunung Api.
Der Gunung Api besteht aus Kalkstein, der die geologische Beschaffenheit von Sarawak, des gesamten Südens von Indonesien und von Neuguinea prägt. Die Verwitterung des Gesteins durch das leicht saure Regenwasser hat bemerkenswerte Felsgebilde und unterirdische Höhlen entstehen lassen.
Auf halber Höhe des Api ragt ein Wald aus rasiermesserscharfen, silbergrauen Kalksteinstelen auf, der aussieht wie ein Feld gezackter Stalagmiten. Einige erheben sich mehr als vierzig Meter über den Regenwald. Unter der Oberfläche haben unterirdische Flüsse ein Labyrinth geschaffen, das mit einer Gesamtlänge von über sechshundert Kilometern das größte Höhlensystem der Welt bildet.
Wade Tokumine, Student an der Universität von Honolulu, erforscht schon seit drei Monaten die Höhlen von Sarawak. Er sammelt Informationen für seine Magisterarbeit, die sich mit der Stabilität unterirdischer Karstformationen beschäftigt. Karst entsteht durch die chemische Verwitterung von Kalkstein, der mindestens achtzig Prozent Kalziumkarbonat enthält. Das unterirdische Labyrinth der Insel besteht vollständig aus solchem Gestein.
An diesem Tag besucht Wade zum neunten Mal die Clearwater Cave, die längste unterirdische Passage von ganz Südostasien. Sie ist eine der vier Höhlen von Sarawak, die allgemein zugänglich sind. Während das Boot durchs Wasser gleitet, lehnt der Geologiestudent sich zurück und richtet den Strahl seiner Karbidlampe auf die alabasterweiße Höhlendecke. Im Lichtkegel taucht eine Unzahl vor Feuchtigkeit tropfender Stalaktiten auf. Voll Bewunderung für den Erfindungsreichtum der Natur betrachtet Wade die uralten Formationen.
Vor vier Milliarden Jahren war die Erde eine sehr junge, feindselige und unbelebte Welt. Während der Planet sich abkühlte, ließen heftige Vulkanausbrüche Wasserdampf und verschiedene Gase in den Himmel steigen, aus denen eine Atmosphäre entstand, die mit ihrem hohen Gehalt an Kohlendioxid, Stickstoff und Wasserstoffverbindungen den heutigen Bedingungen auf der Venus ähnelte.
Das Leben auf unserem Planeten begann im Meer, als chemische Stoffe sich zu komplexen Strukturen verbanden: zu vier grundlegenden Kettenmolekülen aus Aminosäure. Hinzu kam ein äußerer Katalysator, vielleicht ein Blitzstrahl. Die dadurch belebte Doppelhelix begann sich zu reduplizieren und die ersten Einzeller zu bilden. Diese Organismen vermehrten sich rasch und reduzierten in den Meeren allmählich die Kohlenstoffverbindungen,
von denen sie sich ernährten. Irgendwann entstand eine einzigartige Familie von Bakterien, die ein neues Molekül erzeugten, dem man den Namen Chlorophyll gegeben hat. Diese grüne Substanz war in der Lage, die Energie des Sonnenlichts zu speichern. Dadurch konnten die Einzeller aus Kohlendioxid und Wasserstoff hochwertige Kohlenhydrate herstellen. Als Nebenprodukt entstand Sauerstoff.
Die Fotosynthese war entstanden.
Während der Sauerstoffgehalt anstieg, entzogen verschiedene Meeresorganismen dem Wasser Kalziumkarbonat und daraus bildeten sich Gesteinsformationen. Dadurch wurde auch der Kohlendioxidgehalt der Erdatmosphäre drastisch reduziert. Eingelagert wurde das Gas in dem Gestein am Meeresboden - in Kalkstein. Daher ist die heute in Sedimentgestein eingeschlossene Kohlendioxidmenge sechshundertmal größer als der gesamte Kohlendioxidgehalt in der Luft, dem Wasser und sämtlichen lebenden Zellen auf unserem Planeten.
Wade Tokumine richtet den Lichtstrahl auf das dunkle Wasser der Höhle. Der unterirdische Strom enthält zehnmal mehr Kohlendioxid als üblich. Hat der Gehalt des aufgelösten CO 2 im Kalkstein seinen Sättigungspunkt erreicht, fällt das Gas als reines Kalziumkarbonat aus und lässt die Stalaktiten und Stalagmiten entstehen, die in den Höhlen von Sarawak
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