2012 - Schatten der Verdammnis
Dutzende von Plätzen für das rituelle Ballspiel der alten indianischen Kulturen, doch keiner kommt dem Großen Ballspielplatz von Chichén Itzá gleich. Er ist nicht nur der größte seiner Art in Yukatan, sondern auch - wie die Kukulkan-Pyramide - exakt nach astronomischen Berechnungen ausgerichtet. In diesem Falle besteht eine Beziehung zur Milchstraße. Am Tag der Sommersonnenwende weist die lange Achse des 1-förmigen Feldes um Mitternacht zu dem Punkt, an dem die Milchstraße den Horizont berührt. Deren dunkles Band wird dadurch zum himmlischen Spiegelbild des Platzes.
Die astronomische Bedeutung dieser Ausrichtung ist unübersehbar. Wie bereits erläutert, ist das dunkle Band der Milchstraße eines der zentralen Symbole der Maya-Kultur. Nach deren Schöpfungsmythos, dem Popol Vuh, ist sie der Pfad, auf dem der Maya-Heros Hun-Hunapu in die Unterwelt Xibalba gelangte, um die Götter des Bösen herauszufordern. Diese ebenso heldenhafte wie missglückte Tat stellten die Maya bei ihrem rituellen Ballspiel dar. Die Mitglieder der besiegten Mannschaft wurden anschließend hingerichtet.
Nach dem Maya-Kalender entspricht der Name Hun-Hunapu dem Datum 1 Ahau, dem ersten - und letzten - Tag des fünften Zyklus, an dem nach der alten Prophezeiung die Welt untergeht. Mit einem leistungsfähigen Astronomieprogramm habe ich berechnet, wie der Nachthimmel im Jahr 2012 aussehen wird. Wie üblich wird der Große Ballspielplatz ein Spiegelbild des dunklen Bands der Milchstraße darstellen, diesmal jedoch nicht im Juni, sondern am Tag der Wintersonnenwende - 4 Ahau, 3 Kankin -, an dem der Menschheit die Vernichtung droht.
Es war ein kühler Herbsttag des Jahres 1983, als wieder einmal ein Team mexikanischer Archäologen in Chichén Itzá erschien. Mit Spitzhacken und Schaufeln bewaffnet, marschierten die Männer direkt zum Großen Ballspielplatz, um
ein Objekt zu suchen, das als Markierstein bezeichnet wird. Diese behauenen Steine sind im Zentrum vieler mittelamerikanischer Ballspielplätze vergraben.
Maria und ich standen dabei und sahen zu, wie unsere Kollegen das alte Artefakt ausgruben. Es war anders als alle vergleichbaren Objekte, die wir je gesehen hatten. Aus Jade statt aus Kalkstein gefertigt, war es hohl und von der Größe einer Kaffeekanne. Aus einem Ende ragte der Griff eines Obsidianmessers, was uns an die europäischen Sagen erinnerte, in denen ein Zauberschwert in einem Felsen steckt. Die Waffe widersetzte sich allen Versuchen, sie herauszuziehen.
Die Seiten des Jadebehälters waren mit symbolischen Darstellungen der Ekliptik und des dunklen Bands der Milchstraße geschmückt. Auf die Unterseite war das realistische Porträt eines großen Maya-Kriegers gemalt.
Wie erstarrt blickten Maria und ich auf dieses Bild, denn die Gesichtszüge des Dargestellten waren unverkennbar. Wir mussten uns überwinden, den Stein dem Leiter des Forschungsteams zurückzugeben. Dann gingen wir zu unserem Wohnwagen, überwältigt von den Konsequenzen, die das Objekt, das wir gerade eben in den Händen gehalten hatten, für uns haben konnte.
Endlich brach Maria das Schweigen. »Julius, irgendwie... irgendwie ist unser Schicksal ganz konkret mit der Rettung der Menschheit vor der Vernichtung verbunden. Dieses Bild auf dem Stein ist ein eindeutiges Zeichen, dass wir unsere Suche fortsetzen und einen Weg in die Pyramide Kukulkans finden müssen.«
Ich wusste, dass meine Frau Recht hatte. Mit frischen Kräften, die von einem starken Gefühl der Angst genährt wurden, machten wir uns wieder an die Arbeit. Die folgenden zweieinhalb Jahre verbrachten wir damit, jeden Stein in Chichén Itzá umzudrehen und jede Ruine zu erforschen. Wir suchten unter jedem Blatt im Dschungel und drangen in alle Höhlen der Gegend vor.
Dennoch fanden wir nichts.
Im Sommer 1985 waren wir schließlich so frustriert, dass uns klar wurde: Nur ein Ortswechsel konnte uns den letzten Rest an gesundem Verstand bewahren, der uns geblieben war. Ursprünglich hatten wir vorgehabt, nach Kambodscha zu reisen, um die gewaltigen Ruinen von Angkor zu erforschen, eine jener Stätten, die unserer Meinung nach im Zusammenhang mit Giseh und Teotihuacän standen. Leider verweigerte das Regime der Khmer Rouge damals allen Ausländern den Zugang zu den Tempeln.
Maria hatte eine andere Idee. Unsere außerirdischen Ahnen, vermutete sie, hatten den Zugang zur Kukulkan-Pyramide so gestaltet, dass Plünderer ihn auf keinen Fall entdecken konnten. Deshalb hielt sie es für
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