2012 - Schatten der Verdammnis
leeren Augen an.
Zwei Priester treten ein. Sie tragen rituellen Kopfschmuck aus grünen Federn und aus Jaguarfellen gefertigte Lendentücher. Während sie näher kommen, richten sich ihre dunklen Augen auf Dominique. Mit klopfendem Herzen weicht sie zurück, doch die Priester packen sie an den Handgelenken und zerren sie gewaltsam auf die Plattform des Tempels.
Die Nachtluft ist geschwängert vom Gestank von Blut und Schweiß und Rauch.
Über der berauschten Menge erhebt sich ein riesiger Chacmol, die auf dem Rücken liegende Skulptur eines Halbgottes der Maya. Auf seinem Schoß trägt er eine kultische Platte, die von den zerfetzten Überresten menschlicher Herzen überquillt.
Dominique schreit auf. Sie versucht zu fliehen, doch zwei weitere Priester packen sie an den Knöcheln und heben sie
vom Boden. Die Menge stöhnt auf, als der Oberpriester erscheint, ein muskulöser Mann mit roten Haaren. Sein Gesicht ist von einer Maske verborgen, die einen gefiederten Schlangenkopf darstellt. Ein teuflisches Grinsen erscheint hinter dem mit Zähnen bewehrten offenen Maul der Schlange.
»Tag, Süße.«
Wieder schreit Dominique, als Raymond ihr das weiße Tuch von ihrem sonst völlig nackten Körper reißt und dann ein schwarzes Obsidianmesser hebt. Ein lüsterner Chor steigt von der blutdürstigen Menge auf.
»Kukulkan! Kukulkan!«
Auf ein Kopfnicken Raymonds hin legen die vier Priester sie auf den Boden und drücken sie an den Stein.
»Kukulkan! Kukulkan!«
Raymond lässt die Schneide des Messers blitzen. Ungläubig ringt Dominique nach Luft, als er es hoch über den Kopf hebt und dann kraftvoll in ihre linke Brust stößt.
»Kukulkan! Kukulkan!«
In Todesqualen schreit sie weiter. Ihr ausgestreckter Körper zuckt und windet sich.
»Dom, wach auf!«
Raymond schiebt die Hand in die Wunde, reißt ihr das schlagende Herz heraus und hebt es in die Höhe, damit die Menge es sehen kann.
»Dominique!«
Mit einem markerschütternden Schrei tritt und schlägt sie in die furchtbare Finsternis und erwischt den Schatten über ihr mitten im Gesicht, Desorientiert und immer noch in ihrem Albtraum gefangen, rollt sie sich zur Seite, springt auf und rennt blindlings aus der Kammer, direkt auf das Nichts jenseits der steilen Treppe zu.
Eine Hand packt sie am Knöchel. Sie schlägt mit der Brust auf die Plattform und wird vom Schmerz vollständig wach.
»Mensch, Dominique, ich hab gedacht, ich bin der Irre hier.«
»Mick?« Keuchend setzt sie sich auf und reibt sich die lädierten Rippen.
Mick rutscht neben sie. »Alles in Ordnung?«
»Du hast mir einen Wahnsinnsschrecken eingejagt.«
»Du mir aber auch. Das muss ein echt übler Albtraum gewesen sein. Um ein Haar wärst du von der Pyramide gesprungen.«
Sie schaut hinab, dann dreht sie sich um und umarmt ihn mit zitternden Gliedern. »Mein Gott, ich hasse diesen Ort. Die Wände stinken nach den Geistern der Maya.« Sie weicht zurück und blickt ihm ins Gesicht. »Deine Nase blutet. Hab ich das getan?«
»Du hast mich mit einem rechten Haken erwischt.« Mick zieht ein Taschentuch aus der Gesäßtasche, um den Blutfluss zu stoppen. »Das heilt bestimmt nie.«
»Geschieht dir recht. Warum müssen wir uns eigentlich ausgerechnet hier treffen, und dann noch mitten in der Nacht?«
»Ich bin ein flüchtiger Verbrecher, hast du das vergessen? Übrigens, wie hast du es geschafft, dem Arm des Gesetzes zu entkommen?«
Sie wendet sich ab. »Flüchtig bist du, nicht ich. Ich hab dem Kapitän erzählt, ich hätte dir geholfen, weil ich nach dem Tod meines Vaters nicht mehr klar denken konnte. Offenbar hab ich ihm Leid getan, denn daraufhin hat er mich ziehen lassen. Komm, das hat Zeit bis später. Jetzt will ich erst mal runter von dieser verfluchten Pyramide.«
»Ich kann jetzt nicht weg. Ich hab noch allerhand Arbeit vor mir.«
»Arbeit? Was für Arbeit? Es ist mitten in der Nacht!«
»Ich suche nach einem Eingang in die Pyramide. Den müssen wir unbedingt finden.«
»Mick...«
»Mein Vater hatte Recht mit seinen Theorien über diesen Bau. Ich hab etwas entdeckt, was wirklich unglaublich
ist. Moment, ich zeig es dir.« Mick greift in seine Umhängetasche und holt ein kleines elektronisches Gerät heraus.
»Das ist ein Ultraschall-Inspektroskop. Es sendet Schallwellen aus, mit denen man Unregelmäßigkeiten in festen Körpern entdecken kann.« Mick knipst seine Taschenlampe an, fasst Dominique am Handgelenk und zieht sie wieder in den Tempel bis zur Mittelwand. Dort
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