2012 - Schatten der Verdammnis
Fehlverhalten zu erkennen meint. Ihre Betreuerin hat Recht gehabt. Indem sie ihrem Patienten ihr Herz geöffnet hat, hat sie ihre Objektivität aufgegeben. Alles, was geschehen ist, war ihr Fehler. Iz ist tot, Edie sitzt im Gefängnis und der Mann, dem sie vertraut und für den sie alles geopfert hat, ist nichts anderes als ein paranoider Schizophrener, der endgültig dem Wahnsinn verfallen ist.
Ein Gedanke schießt ihr durch den Sinn. Je näher die Wintersonnenwende kommt, desto gefährdeter wird er sein.
»Mick, du brauchst Hilfe. Du hast den Kontakt zur Realität verloren.«
Mick blickt auf den perfekt gemeißelten Kalksteinblock unter seinen Füßen. »Warum bist du hier, Dominique?«
Sie nimmt seine Hand. »Ich bin hier, weil ich dich mag - und weil ich dir helfen kann.«
»Das ist wieder eine Lüge.« Er schaut sie an. Seine dunklen Augen glänzen im Mondlicht. »Borgia hat dich in der Tasche, stimmt’s? Der Mann ist voller Hass auf mich und meine Eltern. Der wird alles sagen oder tun, um mich wieder in die Finger zu bekommen. Womit hat er dich erpresst?«
Sie wendet den Blick ab.
»Was hat er dir versprochen? Sag mir, was er dir gesagt hat!«
»Du willst tatsächlich wissen, was er gesagt hat?« Sie dreht den Kopf und schaut ihn finster an. Ihre Stimme ist voller Wut. »Er hat Edie verhaften lassen. Er hat gesagt, sie und ich werden lange ins Gefängnis kommen, weil wir dir zur Flucht verholfen haben.«
»Verdammt. Das tut mir wirklich Leid...«
»Borgia hat mir versprochen, dass er das Verfahren gegen uns einstellen lässt, wenn ich dich finde. Er hat mir eine Woche Zeit gelassen. Wenn ich nicht tue, was er sagt, kommen Edie und ich vor Gericht.«
»Dieser Scheißkerl.«
»Mick, so schlimm ist das alles nicht. Dr. Foletta hat mir angeboten, deine Therapie zu übernehmen.«
»Foletta ist auch dabei? Ach, du lieber Himmel...«
»Du wirst in diese neue Anstalt in Tampa kommen. Dort gibt’s keine Isolation mehr. Von nun an wird dich ein offiziell bestalltes Therapeutenteam betreuen und dir die Behandlung zukommen lassen, die du brauchst. Wir werden eine medikamentöse Therapie für dich zusammenstellen, mit der du deine Gedanken bald wieder unter Kontrolle haben wirst. Dann musst du nicht mehr in der Anstalt bleiben - und dich auch nicht mehr hier im mexikanischen Dschungel verstecken. Irgendwann wirst du in der Lage sein, ein normales, sinnvolles Leben zu leben.«
»Mensch, das klingt aber wirklich toll.« Micks Stimme hat einen sarkastischen Unterton. »Und außerdem ist Tampa nicht weit von Sanibel Island. Hat Foletta dir womöglich eine Festanstellung versprochen? Und einen eigenen Parkplatz auf dem Klinikgelände?«
»Ich tu das nicht für mich, Mick, ich tue es für dich. Vielleicht stellt sich heraus, dass alles, wie es jetzt gekommen ist, am besten für dich war.«
Mick schüttelt traurig den Kopf. »Dom, wer den Wald
vor lauter Bäumen nicht sehen kann, bist du.« Er bückt sich, zieht sie auf die Beine und deutet in den Himmel. »Kannst du die dunkle Linie da oben sehen, die parallel zum Großen Ballspielplatz verläuft? Das ist das dunkle Band der Milchstraße, so etwas wie der Äquator unserer Galaxis. Einmal in fünfundzwanzigtausendachthundert Jahren bildet die Sonne eine Konjunktion mit seinem Mittelpunkt, und dieses Ereignis findet in genau elf Tagen statt. In elf Tagen, Dominique. An diesem Tag, dem Tag der Wintersonnenwende, wird sich ein kosmisches Tor öffnen und einer böswilligen Kraft Zugang zu unserer Welt gewähren. Am Ende dieses Tages werden du, ich, Edie, Borgia und alle anderen Menschen auf der Erde tot sein - falls es uns nicht gelingt, den verborgenen Zugang zu dieser Pyramide zu entdecken.«
Mick blickt ihr qualvoll in die Augen. »Ich... ich liebe dich, Dominique. Ich hab dich lieb, seit wir uns das erste Mal gesehen haben, seit dem Tag, an dem du einfach nur freundlich zu mir gewesen bist. Außerdem stehe ich in deiner und in Edies Schuld. Aber nun muss ich diese Sache durchstehen, selbst wenn ich dich dadurch verlieren sollte. Vielleicht hast du ja Recht. Vielleicht ist alles nur eine grandiose schizophrene Wahnvorstellung, die mir meine zwei psychotischen Eltern vererbt haben. Vielleicht bin ich so außer mir, dass ich nicht merke, was gespielt wird. Aber darauf kommt es nicht an egal, ob all dies real ist oder nur eine Halluzination, ich kann jetzt nicht aufhören. Ich muss die Sache durchstehen.«
Er hebt das Inspektroskop auf. In seinen Augen glänzen
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