2012 - Schatten der Verdammnis
das Beste, nach Nazca zurückzukehren und zu versuchen, den Rest der uralten Botschaft zu entziffern.
So sehr mir vor dem Gedanken graute, wieder in dieser Wüste zu landen, hatte ich der Logik meiner Frau nichts entgegenzusetzen. In Chichén Itzá kamen wir eindeutig nicht weiter, obwohl wir beide davon überzeugt waren, dass dies der Ort war, an dem die letzte Schlacht stattfinden würde.
Bevor wir die Stadt verließen und uns auf eine schicksalhafte Reise begaben, die unsere letzte gemeinsame Unternehmung sein sollte, blieb mir noch eine Aufgabe.
Mit einem Stemmeisen und einer Maske ausgestattet, brach ich spät nachts in den Anhänger unserer Kollegen ein, um Kukulkans Markierstein aus der Gewalt seiner Räuber zu befreien.
Auszug aus dem Tagebuch von Prof. Julius Gabriel
Vgl. Katalog 1989-84, Seite 8-154
Fotojournal Diskette 7 u. 8, Datei: MEXIKO, Foto 223, 328 u. 344
20
9. Dezember 2012 Chichén Itzá, Mexiko
13.40 Uhr Das kleine Propellerflugzeug hüpft zweimal auf dem verwitterten Rollfeld auf, bremst und kommt rutschend kurz vor der Stelle zum Stehen, an der die Landebahn in ein mit Unkraut bewachsenes Feld übergeht.
Als Dominique aus der Cessna steigt, schlägt ihr die Hitze direkt ins Gesicht. Ihr schweißgetränktes T-Shirt klebt ihr schon an der Brust. Sie wirft ihren Rucksack über die Schulter und folgt den anderen sieben Passagieren durch den kleinen Terminal und hinaus auf die Landstraße. Auf einem Schild nach links steht >Hotel Mayaland<, nach rechts geht es nach Chichén Itzá.
»Taxi, Señorita?«
Der Fahrer, ein kleiner Mann Ende fünfzig, lehnt an einem verbeulten weißen VW Käfer. In seinen dunklen Gesichtszügen erkennt Dominique das Erbe der Maya.
»Wie weit ist es bis Chichen Itzá?«
»Zehn Minuten.« Der Mann öffnet die Beifahrertür.
Als Dominique einsteigt, versinkt sie sofort in dem müden Schaumstoff des zerschlissenen Sitzes.
»Waren Sie schon einmal in Chichen Itzä, Señorita?«
»Nur als Kind.«
»Macht nichts. In den letzten tausend Jahren hat sich dort nicht allzu viel geändert.«
Sie durchqueren ein armseliges Dorf und kommen auf eine frisch geteerte, vierspurige Mautstraße. Wenige Minuten später hält das Taxi am renovierten Parkeingang. Der Parkplatz ist voller Mietwagen und Touristenbusse. Dominique bezahlt den Fahrer, kauft eine Eintrittskarte und betritt den Park.
Sie kommt an einer Reihe von Andenkenläden vorbei, dann folgt sie einer Gruppe von Touristen zu einer breiten, ungepflasterten Straße durch den Dschungel. Nach fünf Minuten bietet sich ein Blick auf eine unglaublich weite grüne Fläche, die von dichtem Blattwerk umgeben ist.
Mit großen Augen nimmt Dominique ihre Umgebung in sich auf. Sie ist in einer anderen Zeit.
Mitten in der Landschaft erhebt sich eine Anzahl grau-weißer Kalksteinruinen. Zu ihrer Linken breitet sich der Große Ballspielplatz aus, der größte seiner Art in Mittelamerika. Die riesige, I-förmige Arena ist etwa hundertsiebzig Meter lang und siebzig Meter breit und auf allen Seiten von Mauern umschlossen, die sich in der Mitte zu drei Stockwerk hohen Wällen erheben. An ihrem nördlichen Ende ragt der Tzompantli auf, eine große, mit mehreren Reihen gewaltiger Schädel geschmückte Plattform, die von Schlangenleibern gekrönt wird. Rechts von Dominique steht ein Stück weit entfernt ein weitläufiger, rechteckiger Komplex, der so genannte Tempel der Krieger, die Ruinen eines Palastes mit einem angeschlossenen Marktplatz. Teile davon sind von Hunderten frei stehender Säulen umschlossen.
Doch es ist ein anderer Bau, der sofort Dominiques Blicke auf sich zieht - eine unglaublich kunstvoll erbaute
Kalksteinpyramide, die sich in der Mitte der alten Stadt weit über alle anderen Strukturen erhebt.
»Herrlich, nicht wahr, Señorita?«
Dominique dreht sich um und sieht einen kleinen Mann mit einer Baseballmütze und einem fleckigen, orangefarbenen T-Shirt, das das Logo des Parks trägt. Sein Gesicht mit der hohen, fliehenden Stirn spiegelt das Erbe der Maya.
»Der Tempel des Kukulkan ist das großartigste Bauwerk in ganz Mittelamerika. Wie wäre es mit einer kleinen Privatführung? Nur fünfunddreißig Pesos.«
»Eigentlich suche ich nach jemandem. Es ist ein Amerikaner, groß, kräftig, mit braunem Haar und sehr dunklen Augen. Sein Name ist Michael Gabriel.«
Das Lächeln des Führers verschwindet.
»Sie kennen Mick?«
»Tut mir Leid, aber da kann ich Ihnen nicht weiterhelfen. Schönen Tag noch.« Der
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