2012 - Schatten der Verdammnis
und folgt ihm nach unten.
Kaum hat sie das Gesicht ins trübe Wasser gesteckt, als sie schon hektisch atmet. Blindlings schwimmt sie ohne jeden Orientierungssinn mehrere Sekunden vor sich hin, bis sie spürt, wie Mick am Seil zieht. Sie taucht weitere sechs Meter nach unten, schlägt noch einmal kraftvoll mit den Beinen und sieht endlich den Schein seiner Lampe an der Wand des Beckens.
Mick sucht den mit Pflanzen überwucherten Kalkstein ab. Mit einer Bewegung seiner Lampe weist er sie an, sich der Wand an seiner Rechten zuzuwenden und mit dem Tauchermesser in der dichten Vegetation zu stochern.
Dominique zieht das Messer aus der an ihrem Unterschenkel befestigten Scheide und sticht auf den Fels ein, während sie mit den Füßen voraus an der Kalksteinwand entlang nach unten sinkt. In zehn Metern Tiefe gleitet ihre Hand in ein großes Loch. Ihre Uhr verfängt sich im dichten Pflanzenwuchs. Als es ihr nicht gelingt, sie zu befreien, stemmt sie sich mit den Flossen an die Wand, um sich abzudrücken.
Eine zwei Meter lange Mokassinschlange schießt aus dem Loch und schnappt nach Dominiques Gesichtsmaske, bevor sie an ihr vorbei in der Dunkelheit verschwindet.
Dominique verliert die Nerven. Voll Panik schwimmt sie mit schnellen Stößen an die Oberfläche, Mick im Schlepptau.
Kaum ist ihr Kopf über Wasser, als sie sich schon die Maske herunterreißt, würgt und nach Luft schnappt.
»Alles in Ordnung? Was ist passiert?«
»Von Schlangen hast du mir nichts erzählt! Ich hasse Schlangen...«
»Hat sie dich gebissen?«
»Nein, aber ich hab genug. Das ist kein Tauchen. Ich hab eher das Gefühl, in flüssiger Scheiße zu schwimmen!« Mit zitternden Händen knüpft sie das Seil ab.
»Dom...«
»Nein, Mick, mir reicht’s. Ich bin mit den Nerven völlig fertig; wenn ich dieses Wasser auch nur sehe, kriege ich die Krätze. Mach ohne mich weiter. Such deinen Geheimgang oder was du sonst finden willst. Ich warte oben auf dich.«
Mick wirft ihr einen besorgten Blick zu, dann taucht er wieder ins Wasser.
»He, Ocelo! Werft das Seil runter!« Sie blickt nach oben und wartet ungeduldig darauf, dass die Maya am Beckenrand erscheinen.
Nichts.
»He, hört ihr mich nicht? Ich hab gesagt, ihr sollt das Seil runterwerfen!«
»’n Abend, Süße.« Ein kalter Schauer läuft ihr über den Rücken, als sie Raymond erkennt. Der rote Laserpunkt, den das Zielgerät seines Schnellfeuergewehrs abstrahlt, richtet sich direkt auf ihre Kehle.
Weißes Haus Washington, D.C.
Präsident Maller fühlt sich, als habe ihm jemand in den Magen geschlagen. Vor ihm liegt ein Bericht des Verteidigungsministeriums. Er hebt den Kopf und lässt den Blick von General Fecondo zu Admiral Gordon wandern. Sein schwerer Puls pocht in den Schläfen. Maller ist so schwach, dass er nicht mehr die Kraft hat, aufrecht im Sessel zu sitzen.
Pierre Borgia stürmt ins Oval Office. Seine rot geränderten Augen glühen vor Hass. »Wir haben gerade den neuesten Bericht erhalten. Einundzwanzigtausend Tote
in Sacha. In Kunming sind zwei Millionen ums Leben gekommen, und auch in Turkmenistan ist eine ganze Stadt vernichtet worden. Drunten versammelt sich schon die Presse.«
»Die Russen und Chinesen haben sofort mit der Mobilmachung ihrer Streitkräfte reagiert«, berichtet General Fecondo. »Offiziell gehört das zu dem geplanten Manöver, aber die beteiligten Truppen sind wesentlich stärker als vorgesehen.«
Der Befehlshaber der Marine blickt auf seinen Laptop. »Unsere Satelliten haben inzwischen dreiundachtzig Atom-U-Boote aufgespürt, darunter alle Schiffe der neuen russischen Borey-Klasse. Jedes von ihnen hat achtzehn SS-N-20-Raketen an Bord. Dazu kommt ein weiteres Dutzend chinesischer U-Boote mit Interkontinentalraketen und...«
»Es geht nicht nur um U-Boote«, unterbricht ihn der General. »Beide Länder haben auch ihre strategischen Streitkräfte in Bereitschaft versetzt. Zum Beispiel verfolgt eine Darkstar den Raketenkreuzer Peter der Große, der zwanzig Minuten nach der letzten Detonation abgelegt hat. Zusammengenommen besteht das gegnerische Arsenal an Land und auf See aus mehr als zweitausend atomaren Sprengköpfen, wenn man von einem Erstschlag ausgeht.«
»Mein Gott.« Maller atmet tief ein, um gegen den Druck in seiner Brust anzukämpfen. »Pierre, wie lange dauert es denn noch, bis endlich dieses Konferenzgespräch des Sicherheitsrats beginnt?«
»Zehn Minuten, aber der Generalsekretär sagt, dass Grosny gerade vor dem russischen Parlament
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