2012 - Schatten der Verdammnis
dass ich ihnen wirklich übel nehme, was sie getan haben. Ich nehme ihnen übel, dass sie mir nie eine Wahl ließen...«
»Wir können uns unsere Eltern nicht aussuchen, Mick. Wichtig ist nur, dass wir uns- nicht selbst die Schuld geben. Keiner von uns hatte irgendeinen Einfluss auf die Karten, die wir in diesem Spiel bekommen haben, aber wir sind voll und ganz dafür verantwortlich, wie wir sie ausspielen. Ich glaube, ich kann Ihnen dabei helfen, wieder besser damit umzugehen.«
Er tritt näher an sie heran. Der Regen strömt über sein Gesicht. »Darf ich Ihnen eine persönliche Frage stellen?«
»Ja.«
»Glauben Sie an ein Schicksal?«
»Ein Schicksal?«
»Glauben Sie, dass unser Leben, unsere Zukunft... Ach, schon gut, lassen wir das.«
»Glaube ich, dass das, was mit uns geschieht, vorbestimmt ist?«
»Ja.«
»Ich glaube, wir haben Optionen. Ich glaube, es liegt an uns, das für uns passende Schicksal auszuwählen.«
»Waren Sie je verliebt?«
Sie starrt ihm hilflos in die glänzenden Hundeaugen. »Ein paarmal war ich nahe dran, aber irgendwie hat es nie geklappt.« Sie lächelt. »Wahrscheinlich waren diese Typen einfach nicht für mich bestimmt.«
»Wenn ich nicht... eingesperrt wäre... wenn wir uns
unter anderen Umständen kennen gelernt hätten - glauben Sie, Sie hätten sich dann in mich verlieben können?«
Ach, du Scheiße. Sie schluckt schwer, weil ihr das Herz bis zum Hals klopft. »Mick, gehen wir ins Trockene. Kommen Sie schon,..«
»Sie haben so etwas an sich. Es ist nicht nur die physische Anziehung, es ist, als würde ich Sie schon immer kennen oder als hätte ich Sie schon in einem anderen Leben gekannt.«
»Mick...«
»Manchmal hab ich Vorahnungen, und in dem Augenblick, in dem ich Sie zum ersten Mal gesehen hab, war das auch so.«
»Sie haben doch gesagt, es läge am Parfüm.«
»Da war noch mehr. Ich kann es nicht erklären. Ich weiß bloß, dass Sie mir etwas bedeuten, und diese Gefühle sind verwirrend.«
»Mick, ich fühle mich geschmeichelt, wirklich, aber ich glaube, Sie haben Recht. Ihre Emotionen sind durcheinander und...«
Er lächelt traurig, ohne auf ihre Worte zu achten. »Sie sind so schön.« Er beugt sich vor, berührt ihre Wange, dann streckt er den Arm aus und löst den Knoten in ihrem kohlschwarzen Haar.
Sie schließt die Augen und spürt, wie ihr langes Haar über ihren Rücken fällt und schwer vom Regen wird. Schluss jetzt! Er ist dein Patient, ist ein psychiatrischer Fall, verflucht noch mal! »Mick, bitte. Foletta beobachtet uns. Können Sie jetzt einfach mit reinkommen? Sprechen wir drinnen weiter...«
Er starrt sie an. Hinter den verzagten schwarzen Augen zeigt sich eine von verbotener Schönheit gequälte Seele. »>Oh, sie nur lehrt die Kerzen, hell zu glühn! Wie in dem Ohr des Mohren ein Rubin, so hängt der Holden Schönheit an den Wangen...<«
»Was sagen Sie da?« Dominiques Herz pocht.
»Das ist aus Romeo und Julia. Ich hab es früher meiner Mutter vorgelesen, als sie krank im Bett lag.« Er nimmt ihre Hand und führt sie an seine Lippen. »>Schließt sich ihr Tanz, so nah ich ihr: ein Drücken der zarten Hand soll meine Hand beglücken. Liebt ich wohl je? Nein, schwör es ab, Gesicht! Du sahst bis jetzt noch wahre Schönheit nicht.<«
Der Regen lässt nach. Sie sieht zwei Pfleger kommen. »Mick, hören Sie doch mal zu. Ich hab Foletta dazu gebracht, Ihnen ein Rehabilitationsteam zuzuweisen. In einem halben Jahr können sie schon draußen sein.«
Mick schüttelt den Kopf. »Den Tag werden wir nie erleben, meine Liebe. Morgen ist das Herbstäquinoktium... Er dreht sich um und wird nervös, als er die beiden Männer in weißer Uniform erblickt. »Lesen Sie das Tagebuch meines Vaters. Das Schicksal dieser Welt wird bald eine Schwelle überschreiten, und dann steht der Mensch ganz oben auf der Liste der vom Aussterben bedrohten Arten.«
Die beiden Pfleger packen ihn an den Armen.
»He, gehen Sie vorsichtig mit ihm um!«
Mick wendet ihr das Gesicht zu, als er fortgeführt wird. Dampfend steigt Feuchtigkeit von seinem Körper auf. »>Wie silbersüß tönt bei der Nacht die Stimme der Liebenden, gleich lieblicher Musik, dem Ohr des Lauschers... < Ich habe Sie ins Herz geschlossen, Dominique. Das Schicksal hat uns zusammengeführt. Das kann ich spüren. Ich kann es spüren...«
AUS DEM TAGEBUCH VON JULIUS GABRIEL
Bevor wir unsere Reise durch die Menschheitsgeschichte fortsetzen, würde ich gern einen Begriff vorstellen, der in der
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