2012 - Schatten der Verdammnis
Dominique deutet auf den robust aussehenden, gut vierzehn Meter langen Trawler, der hinter dem Boot der Axlers festgemacht ist. »Wem gehört das Boot da?«
»Dem örtlichen Schatzsucherclub. Du kennst doch Rex und Dory Simpson. Iz hat ihnen den Anlegeplatz verpachtet. Siehst du die Plane da? Darunter ist ein Mini-U-Boot für zwei Mann Besatzung auf dem Deck befestigt. Iz kann dich morgen darin ein wenig spazieren fahren, wenn du Lust hast.«
»In dem Mini-U-Boot? Das macht bestimmt Spaß.«
Edith drückt die Hand ihrer Adoptivtochter. »Erzähl mir von Mick. Warum bist du so durcheinander?«
Dominique wischt sich eine Träne aus dem Auge. »Seit dieser fette, widerwärtige Foletta ihn mir weggenommen hat, lässt er ihm starke Dosen Chlorpromazin spritzen. Mein Gott, Edie, es ist so grausam. Ich kann... ich kann es kaum mehr ertragen, ihn auch nur anzuschauen. Er ist so benommen, dass er einfach nur festgeschnallt in einem Rollstuhl hockt, als wäre er debil. Foletta schiebt ihn jeden Nachmittag auf den Hof oder lässt ihn im Therapiebereich sitzen wie einen hoffnungslosen geriatrischen Fall.«
»Dom, ich weiß, Mick liegt dir sehr am Herzen, aber du musst dir klar machen, dass du auch nur ein Mensch bist. Du kannst nicht von dir erwarten, die Welt zu retten.«
»Was? Was hast du da gesagt?«
»Ich hab bloß gemeint, dass du als Therapeutin nicht erwarten kannst, jedem Patienten zu helfen, mit dem du in Kontakt kommst. Du hast dich einen Monat lang um Mick gekümmert, und jetzt hat man dir die Sache aus der Hand genommen, ob dir das passt oder nicht. Du musst wissen, wann es Zeit ist, den Kampf aufzugeben.«
»Du weißt doch, wie ich bin. Ich kann nicht einfach aufgeben, nicht, wenn jemand missbraucht wird.«
Edith drückt wieder die Hand ihrer Adoptivtochter. Die beiden schweigen und sehen zu, wie der Pelikan mit den Flügeln schlägt, um sein bedenkliches Gleichgewicht auf dem Pfahl zu halten.
Nicht, wenn jemand missbraucht wird. Während Dominiques Worte in ihr nachklingen, denkt Edith an die Zeit, in der ihr das eingeschüchterte Mädchen aus Guatemala zum ersten Mal begegnet ist. Damals hat sie stundenweise als Schulschwester und psychologische Betreuerin gearbeitet. Man hatte ihr die Zehnjährige gebracht, weil sie über Magenkrämpfe geklagt hatte, und Edith hat die Hand des Mädchens gehalten, bis die Schmerzen abgeklungen sind. Dieser kleine Ausdruck der Mutterliebe hat Dominique für immer an sie gebunden. Sie war entsetzt, als sie von dem sexuellen Missbrauch hörte, dem das Mädchen durch ihren älteren Cousin ausgesetzt war. Als sie die Sache schriftlich meldete, schlug sie gleichzeitig vor, Dominique zu Pflegeeltern zu geben. Sechs Monate später haben Edith und Iz Dominique adoptiert.
»Na schön, Schatz, sag mir, was wir tun können, um Mick zu helfen.«
»Es gibt nur eine Lösung. Wir müssen ihn da rausbekommen.«
»Mit >raus< meinst du wohl eine andere Anstalt?«
»Nein, ich meine - ganz raus.«
»Soll das ein Gefängnisausbruch werden?«
»Na ja... Mick ist ein wenig verwirrt, aber ein Psychopath ist er nicht. Er gehört einfach nicht in eine Anstalt.«
»Bist du da sicher? So klingst du nämlich nicht. Hast du mir nicht erzählt, Mick sei davon überzeugt, dass bald die Welt untergeht?«
»Nicht die Welt, die Menschheit. Ja, das glaubt er tatsächlich. Er ist bloß ein wenig paranoid, aber wer wäre das nicht nach elf Jahren Einzelhaft.«
Edith sieht Dominique nervös herumrutschen. »Da ist doch noch was anderes, was du mir nicht sagen willst.«
Dominique schaut ihr ins Gesicht. »Es klingt bestimmt verrückt, aber viele von Micks Wahnvorstellungen scheinen mehr als ein Körnchen Wahrheit zu enthalten. Seine ganze Weltuntergangstheorie stützt sich auf eine dreitausend Jahre alte Maya-Prophezeiung. Ich bin gerade dabei, das Tagebuch seines Vaters zu lesen, und manche von dessen Entdeckungen sind absolut unglaublich. Mick hat dieses Radiosignal aus dem Weltraum am Tag des Äquinoktiums praktisch vorhergesagt. Edie, als ich noch in Guatemala war, hat meine Großmutter mir Geschichten über meine Vorfahren erzählt. Was sie sagte, war ziemlich Furcht erregend.«
Edith lächelt. »Jetzt machst du mir allmählich auch schon Angst.«
»Ach, ich weiß, es ist bloß abergläubischer Blödsinn, aber ich hab das Gefühl, wir schulden Mick zumindest, ein paar dieser Dinge zu überprüfen. Vielleicht trägt es dazu bei, einen Teil seiner Ängste zu lindern.«
»Was für
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